Das Kopftuch als Problematik bei Migrations- und Integrationsdebatten
Das Kopftuch als Problematik bei Migrations- und Integrationsdebatten © toomas järvet / freeimages.com

Kultur & Gesellschaft

Der Stoff des Anstoßes: Homer, Gott, das Kopftuch und ich!

Kaum ein Thema entzündet so heftige Diskussionen über Migration, Integration, feministische Selbstbestimmung oder religiöse Unterdrückung wie das Kopftuch muslimischer Frauen. Es offenbart – wie oft – eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber der Geschichte.

In beinahe jedem europäischen Land sind Regierungen, Parlamente, Medien und Gerichte mit der Kopftuchfrage befasst. Man erwägt ernsthaft, es zu verbieten oder einzuschränken, und beruft sich dabei auf westliche Prinzipien.

Der gegenwärtige Streit blendet fast die jahrhundertelange und räumlich umfassende Geschichte dieses Streitobjekts aus. Es wird fast nicht mehr daran erinnert, dass es bereits im alten Nahen Osten verbreitet war. Ob polytheistisch oder monotheistisch geprägt, galten alle "ehrenwerten" Frauen in diesen Regionen nur dann als anständig, wenn sie mit einer Kopfbedeckung außer Haus gingen. Auch die zukünftige "Mutter Gottes" war dabei keine Ausnahme. Schon in den großen Werken der Antike, wie der Ilias und der Odyssee, schmückten Kopftücher sowohl die Achäerinnen als auch die Trojanerinnen, ebenso wie die unvergänglichen Göttinnen. So trugen Aphrodite, Athene, Kirke und Kalypso sowie Hera, die Herrscherin der Gottheiten und Ehefrau des höchsten Gottes, alle Kopftücher.

Die Geschichte des Kopftuchs und seine vielfältigen Traditionen sind ebenso bunt wie seine Gestaltung. Tatsache ist, dass heute in Frankreich, genauso wie anderswo in Europa, die Mehrzahl der Frauen das Kopftuch aus freiem Willen trägt. Für viele stellt es einen Ausdruck von Freiheit dar. Sie tun dies in überwiegend demokratischen Gesellschaften, in denen Freiheitsrechte und Menschenrechte garantiert sind, und stellen damit sowohl soziale Strukturen als auch staatliche Institutionen vor erheblichen Herausforderungen.

Dalila Zouaoui-Becker, die als Übersetzerin und unabhängige Schriftstellerin in Köln tätig ist, widmet sich Themen rund um Sprachen, Literatur und Religion(en). Unter anderem verfasste sie "Homère l'Oriental" für das französische Onlinemagazin "Orient XXI" im Jahr 2017 und hielt Vorträge über Sprache, Literatur und Religion an der romanistischen Fakultät der Universität Köln.

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Der Stoff des Anstoßes: Homer, Gott, das Kopftuch und ich! im Überblick

Sendezeit So, 01.06.2025 | 09:30 - 10:00 Uhr
Sendung Deutschlandfunk "Essay und Diskurs"
Radiosendung