Alle nannten ihn einfach «Oscar»: Oscar Tschirky, ein einfacher Einwanderer aus der Schweiz, der in New York bis in die höchsten Kreise aufsteigt – als Gastgeber im edlen Hotel Waldorf-Astoria.
Er lässt den Ballsaal in eine Zirkusmanege verwandeln, mit Trapezkünstlern über den Köpfen der tafelnden Gäste oder dekoriert den Saal wie den Campus der Universität Yale: Oscar Tschirky ist der Mann für die extravaganten Anlässe der amerikanischen Oberschicht, mit exquisiten Menus und erstklassigem Service. Er kennt sie alle mit Namen, die Industriellen und Showstars, die Politiker und Staatsgäste jener Zeit. Und alle kennen ihn.
Ihn, der Einwanderer aus der Schweiz, geboren in Le Locle im Kanton Neuenburg. Im zarten Alter von 17 Jahren wandert Oscar Tschirky 1883 nach Amerika aus, nach New York. In der Schweiz lässt er ein bescheidenes Leben hinter sich. In den USA arbeitete er sich hoch, vom Kofferträger zum «maître d hôtel» und ist 50 Jahre lang die unverzichtbare «Seele» des legendären Waldorf und des Waldorf-Astoria, des damals prunkvollsten und grössten Hotels der Welt. In einer Zeit, in der die Hotels auch die amerikanische Gesellschaft prägen.
Gesprächspartner:innen:
* Fabio Bestazzoni, Leiter der Bibliothèque de la Ville du Locle
* Annabella Hüfler-Fick, Amerikanistin.
Quellen/Literatur:
* Schriftgiesser, Karl: Oscar of the Waldorf. E.P. Dutton & Co. New York, 1943.
* Tschirky, Oscar: The Cookbook by Oscar of the Waldorf. The Werner Company. Chicago, New York, 1896.
* Lüönd, Karl: «Der Mann, der seinen Namen vergass. Oscar Tschirky, genannt «Oscar of the Waldorf». In: Schweizer in Amerika. Karrieren und Misserfolge in der Neuen Welt, S. 202-208. Walter Verlag. Olten, 1979.
* Turkel. Stanley: Hotel Mavens: Lucius M. Boomer, George C. Boldt and Oscar of the Waldorf. AuthorHouse. 2014.
* Fick, Annabella: New York Hotel Experience. Cultural and Societal Impacts of an American Invention. Transcript Verlag. Bielefeld, 2017.
* Bestazzoni, Fabio: Le fabuleux destin d Oscar Tschirky. Un Montagnon à New York. Nouvelle Revue neuchâteloise, Band 153. La Chaux-de-Fonds, 2022.

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Hier lernt ihr die Schweizer Geschichte so richtig kennen – mit all ihren Eigenarten, Erfolgen, Fails, Persönlichkeiten und Dramen. Im Podcast «Geschichte» (ehemals «Zeitblende») von SRF Wissen tauchen wir in die Schweizer Vergangenheit ein – und möchten verstehen, wie sie unsere Gegenwart prägt. Habt ihr Themenvorschläge oder Feedback? Meldet euch bei geschichte@srf.ch.
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Folge vom 02.12.2023Der «American Dream» des Schweizers Oscar Tschirky
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Folge vom 18.11.2023Veronika Gut und der Nidwaldner WiderstandIm Jahr 1798 ging die alte Eidgenossenschaft nach dem «Franzoseneinfall» unter. Besonders heftiger Widerstand kam dabei aus Nidwalden. Dort wehrte man sich gegen den neuen Zentralstaat. Finanziell und moralisch unterstützt wurden die Nidwaldner dabei von der konservativen Bauersfrau Veronika Gut. In Nidwalden wollte man den Status quo beibehalten – man hatte ein eigenes Verständnis von Freiheit. Dazu gehörten die Ideen der Aufklärung nicht. Zum traurigen Höhepunkt kam es im September 1798, als die überlegenen französischen Truppen in Nidwalden einmarschierten und gegen die Nidwaldner in die Schlacht zogen. Die Folge war ein Massaker an der lokalen Bevölkerung. Die Ereignisse kennt man heute als «Nidwaldner Schreckenstage» – sie erzeugten ein lang anhaltendes, kollektives Trauma. Veronika Gut verlor an diesem Tag ihren Sohn – und später nach einer Falschwarnung auch ihre vier Töchter. Das machte ihren Widerstand allerdings nur noch stärker. Sie nahm mit dem nach ihr benannten «Froneggrat» entscheidend Einfluss auf die Politik in Nidwalden bis 1815. Gäste in der «Zeitblende»: * Brigitt Flüeler, Präsidentin Historischer Verein Nidwalden * Peter Steiner, Ortshistoriker * André Holenstein, em. Professor für Geschichte an der Universität Bern Literatur: * Achermann, Hansjakob & Haller-Dirr, Marita (1998): Nidwalden 1798: Geschichte und Überlieferung. Stans: Historischer Verein Nidwalden. * Capus, Alex (2006): 13 wahre Geschichten. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. * Gut, Franz Joseph (1862): Der Überfall in Nidwalden im Jahr 1798 in seinen Ursachen und Folgen. Stans. * Messmer, Kurt & Gautschi, Peter (2023): Zweierlei Freiheiten: Eine historische Revue zum Franzoseneinfall in Nidwalden 1798. Thun/Gwatt: Pro Libro. * Niederberger, Gabriela (1998): "Sie ist, wie die Weiber dieser Berge sind, an Muth den Männern gleich." Die Widerstandsarbeit der Veronika Gut 1798 bis 1815. In: Frauenspuren in Nidwalden und Engelberg (Hrsg.): Frauenleben in Stans. Spurensuche durch die Jahrhunderte. Stans. * Steiner, Peter (2013): Gut, Veronika. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
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Folge vom 04.11.2023Georg Elser und der Tyrannenmord («Passage»)Am 8. November 1939 verübte der Schreiner Georg Elser in München ein Bombenattentat auf Adolf Hitler. Der Tyrannenmord scheiterte knapp. Diese Woche erscheint hier eine aktuelle Ausgabe der Sendung «Passage» anstelle der Zeitblende. Georg Elser war ein Handwerker aus dem württembergischen Dorf Königsbronn. Hitler entging seiner Bombe nur durch Zufall. Bis heute steht Georg Elser im Schatten anderer Widerstandskämpfer. Der deutsche Historiker Wolfgang Benz setzt dem noch immer wenig bekannten Georg Elser mit einer neuen Biografie ein Denkmal. In der Elser-Gedenkstätte in Königsbronn diskutieren Jugendliche, was uns der Attentäter heute noch zu sagen hat. Wie stehen wir heute zu einer solchen Tat – Blut vergiessen, um Leben zu retten? Der Tyrannenmord könne – unter gewissen Bedingungen – auch heute noch ein legitimes Mittel des politischen Widerstands sein, sagt die Philosophin Katrin Meyer. Literatur: * Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser, C.H. Beck 2023.
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Folge vom 21.10.2023Die Affäre Conradi von 1923 – Ein Freispruch mit FolgenIm Frühjahr 1923 erschüttert ein Attentat die Schweizer Öffentlichkeit. Während einer internationalen Konferenz in Lausanne erschiesst der Russlandschweizer Moritz Conradi den sowjetischen Gesandten. Der Mörder gesteht die Tat. Trotzdem wird er von einem Geschworenengericht frei gesprochen. Offensichtlich ist nicht das Tötungsdelikt im Vordergrund des Prozesses gestanden, sondern die Russische Revolution und das Leid, das viele Russlandschweizerinnen und Russlandschweizer in deren Verlauf erlitten haben. Die junge Sowjetunion ist empört über den Freispruch Conradis und bricht ihre Beziehungen zur Schweiz ab. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen wieder diplomatische Kontakte zwischen Bern und Moskau. Die «Zeitblende» thematisiert die Affäre-Conradi 100 Jahre nach dem aufsehenerregenden Mord. Wie kam es zu diesem Verbrechen und wie zum Freispruch? Warum schafft es die Schweiz erst mehr als 20 Jahre später, wieder einen Botschafter nach Moskau zu schicken? Diese und weitere Fragen erörtern die Historiker Thomas Bürgisser und Sacha Zala von der Forschungsgruppe Diplomatische Dokumente der Schweiz auf Grund von Quellen aus der Online-Datenbank Dodis. Weiterführende Links: E-Dossier der Forschungsgruppe Diplomatische Dokumente der Schweiz: https://www.dodis.ch/de/die-conradi-affaere-vor-100-jahren