Der Waadtländer Chansonnier Jean Villard Gilles kritisierte mit Liedern wie «Dollar» Gier und Verblendung, stellte sich in seinem Lausanner Cabaret gegen Faschismus und Nationalsozialismus. Und verhalf Edith Piaf mit «Les trois cloches» zu einem Welthit.
Sein Gedicht «La Venoge» über den gleichnamigen Waadtländer Fluss wurde zu so etwas wie waadtländischem Kulturgut. Sein Chanson «Les trois cloches», gesungen von Edith Piaf, machte Weltkarriere.
Doch Jean Villard Gilles, Poet, Schauspieler und Liedermacher aus der Waadt war mehr als ein Lokaldichter. Und auch mehr als ein Komponist populärer französischer Chansons.
Mit Musik, Witz und Ironie gegen den Nationalsozialismus
Jean Villard Gilles war einer, der sich zeitlebens mit den politischen Verwerfungen seiner Zeit auseinandersetzte. Im Frankreich der 1930er Jahre holte er das französische Chanson aus der Ecke der Banalitäten und machte zusammen mit seinem Bühnenpartner Julien Furore: mit satirischen, zuweilen bissigen, gesellschaftskritischen Liedern wie zum Beispiel «Dollar».
Und während des Zweiten Weltkriegs bot er auf der Bühne seines «Cabaret Coup de Soleil» Faschismus und Nationalsozialismus die Stirn.
«Ich war zutiefst davon überzeugt, dass wir die Freiheit verteidigen müssen, um jeden Preis», sagte er einmal in einem Interview über jene Zeit.
Insgesamt fast sechs Jahrzehnte lang stand Jean Villard Gilles auf der Bühne. Die Zeitblende wirft einen Blick auf die ersten knapp 30 Jahre, während derer Aufbruch, Krise und Krieg auch die Karriere des Waadtländer Künstlers prägten, und er Edith Piaf zu einem Welthit verhalf.
Quellen:
* Villard Gilles, Jean: Mon demi-siècle. Payot Verlag. 1954.
* Décotte, Alex: Le Siècle de Gilles. Silva Verlag. 1995.
* Marcadet, Christian: Gilles & Julien : une fulgurante carrière de duettistes dans le Paris des années 30. Revue historique vaudoise. Band 109. 2001.
* Rumpf, Olivier / Perny, Marie: Jean Villard Gilles. Une biographie artistique. Editions de lAire. 2020.
* Originaltöne Jean Villard Gilles: Archiv RTS, Radio Télévision Suisse francophone.
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Folge vom 25.03.2023Wie Jean Villard Gilles mit seinen Chansons für Freiheit kämpfte
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Folge vom 11.03.2023Hans Kläui: Vom tobenden Faschisten zum angesehenen HistorikerDie Frontenbewegung, das war Faschismus nach Schweizer Art. Ein Knäuel von Gruppierungen, die nach einer autoritären Schweiz strebten. Einer ihrer geistigen Führer war Hans Kläui, der unzählige antisemitische Texte verfasste. Später wurde er trotz der dunklen Vergangenheit zum gefeierten Historiker. Als Hans Kläui im April 1992 stirbt, trauert die Stadt Winterthur um ihren preisgekrönten Lokalhistoriker und seine Tochter trauert um ihren Vater. Doch, was Elisabeth Schmid im Nachlass ihres Vaters findet, erschüttert sie. Es sind stapelweise Zeitungsartikel mit rassistischem und antisemitischem Inhalt. Geschrieben von ihrem Vater. Die hetzerischen Worte wollen nicht zum liebenswürdigen Mann passen, den sie und ihre Familie gekannt hatten. Und doch steht da sein Name. Hans Kläui war Mitglied der Nationalen Front und damit Teil der sogenannten Frontenbewegung in den 1930er- und 40er-Jahren. Die Fronten waren ein Knäuel von rechtsextremen Gruppierungen, welche aus der Schweiz einen autoritären Staat nach Vorbild Nazi-Deutschlands oder des faschistischen Italiens machen wollten. Dies in der Zeit der Geistigen Landesverteidigung, als ein Grossteil der Bevölkerung skeptisch war gegenüber jeglichem Einfluss von aussen. Diese Zeitblende klärt, wie nahe die Frontisten ihrem Ziel kamen und wie Hans Kläui nach dem Krieg trotz seiner Vergangenheit als hetzerischer Faschist zum gefeierten Lokalhistoriker werden konnte. Zu Wort kommen Kläuis Tochter Elisabeth Schmid sowie die beiden Autoren Yves Schumacher und Daniel Gut. Weiterführende Literatur * Daniel Gut, Neidkopf. Zur Naturgeschichte des Schweizer Frontisten Hans Kläui – eine literarische Recherche. * Walter Wolf, Faschismus in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegungen in der deutschen Schweiz, 1930–1945. * Yves H. Schumacher, Nazis! Fascistes! Fascisti. Faschismus in der Schweiz 1918–1945 (Überarbeitete Neuauflage am 15. März 2023).
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Folge vom 25.02.2023Westpakete in die DDR: Versandhandel durch eine Schweizer FirmaProdukte aus dem Westen waren in der DDR gefragt. Verwandte im Westen bestellten deshalb für ihre Liebsten beim Geschenkdienst Genex. Die DDR profitierte von Genex, da sie so an Devisen gelangte. Auch die Schweizer Firma Palatinus GmbH verdiente am Versandhandel - das Geld floss über die Schweiz. Die Genex-Geschenkkataloge enthielten vom Fresspaket über Autos bis hin zu Einfamilienhäusern alles, was das Herz des DDR-Bürgers begehrte. Bestellt werden konnte nur im Westen, bezahlt werden nur mit Westgeld. So versuchte die DDR an Devisen zu gelangen. Das Geschäft florierte. Bis zu 200 Millionen D-Mark Umsatz machte die Genex jährlich. Palatinus GmbH: Geldfluss über die Schweiz Davon profitierte auch die Zürcher Firma Palatinus GmbH. Sie erzielte durch den Versandhandel mit Westpaketen zu Spitzenzeiten einen Umsatz von bis zu 80 Millionen Franken, sagt der Sohn des damaligen Geschäftsführers, Thomas Max Wolfensberger, exklusiv in dieser Zeitblende. Die Palatinus diente als Strohfirma für den Versandhandel - denn der direkte Zahlungsverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR war stark eingeschränkt. Also nahm das Geld den Umweg über die Schweiz. Die Palatinus GmbH kassierte dabei für jeden Auftrag Provision. Der Aufwand war dabei jedes Mal der Gleiche: Ob nun ein Trabant gekauft wurde oder ein Paket mit westlichen Lebensmitteln. Der Genex-Katalog: «Made in Switzerland» Doch nicht nur der Geldtransfer lief über die Schweiz. Die Genex liess auch die Geschenkkataloge über die Palatinus produzieren. So wurden gar Fotoshootings für den Katalog am Zürichsee gemacht und auch der Druck erfolgte in der Schweiz. Mehrere Hunderttausend Exemplare des Katalogs wurden in den Glanzzeiten gedruckt und nach Westdeutschland verschickt. Zu Gast in dieser Zeitblende: * Thomas Max Wolfensberger, Sohn des damaligen Geschäftsführers der Palatinus GmbH * Matthias Judt, freier Wirtschaftshistoriker * Stefan Wolle, Historiker und wissenschaftlicher Leiter DDR-Museum Berlin
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Folge vom 11.02.2023Nazi-Stein in Chur #2: Sprengen oder erhalten?Ein Nazi-Denkmal steht mitten in seiner Stadt. Die Vermutung des Churer Stadtpräsidenten: «Man wollte es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufarbeiten». Was jetzt mit dem Stein – sprengen oder stehen lassen? Und wie präsent waren die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren? In Teil 2 geht es um den Weckruf eines Churer SP-Nationalrats, um das Zürcher Hallenstadion voll mit Hakenkreuzen und um einen irritierten Churer Stadtpräsidenten, der jetzt ein Problem hat. Diese Recherche der «Zeitblende» als Doppelfolge in Zusammenarbeit mit SRF investigativ führt zurück in die 1930er-Jahre, als die Schweizer Behörden die Nazis gewähren liessen. Jetzt holt die Vergangenheit Chur ein. Inputs? Feedback? Unsere E-Mail-Adresse: investigativ@srf.ch Gesprächspartner:innen: * Hansmartin Schmid, Historiker, früherer SRF-Journalist und Zeitzeuge * Bernd Ulrich, Historiker in Berlin * Fabienne Meyer, Historikerin * Fritz Gemsemer, Pforzheim * Sandra Nay, Leiterin Kundendienst Staatsarchiv Graubünden * Leza Dosch, Kunsthistoriker * Martin Bucher, Historiker * Diane Tempel, Sprecherin Volksbund * Urs Tischhauser, Stadtgärtnerei Chur * Urs Marti, Stadtpräsident Chur Literatur: * Bollier, Peter: Die NSDAP unter dem Alpenfirn. Geschichte einer existenziellen Herausforderung für Davos, Graubünden und die Schweiz, Chur 2016. * Bucher, Martin J.: Führer, wir stehen zu dir! Die Reichsdeutsche Jugend in der Schweiz, 1931–1945, Zürich 2021. * Bundi, Martin: Bedrohung, Anpassung und Widerstand – Die Grenzregion Graubünden 1933-1946, Chur 1996. * Dosch, Leza: Grabdenkmäler für französische und französische Kriegsinternierte in Chur. Bericht und Dokumentation im Auftrag des Gartenbauamts der Stadt Chur, 1998. * Fuhrmeister, Christian, et al.: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin 2019. * Inventar von Armee- und Kriegsdenkmälern in der Schweiz, https://www.vtg.admin.ch/de/die-schweizer-armee/geschichte-der-schweizer-armee/inventario.html, Stand: 25. Januar 2023. * Schmid, Hansmartin: Churer Grabmäler. Was uns die Grab- und Denkmäler der Friedhöfe Daleu und Hof erzählen, Chur 2021. Archive: * Archiv des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge * Politisches Archiv des Auswärtigen Amts * Stadtarchiv Pforzheim * Bundesarchiv * Staatsarchiv Graubünden * Stadtarchiv Chur * Gemeindearchive Disentis, Arosa und Savognin