Der Schriftsteller Martin R. Dean erzählt im Roman «Tabak und Schokolade» seine tabuisierte Familiengeschichte: eine Geschichte des Kolonialismus, der Traumata, der Entwurzelung. Yves Bossart spricht mit ihm über verdrängte Vergangenheiten, über Rassismus und über das Fremdsein in der Welt.
Martin R. Dean hat die ersten Jahre seines Lebens in der Karibik verbracht, in Trinidad und Tobago, der Heimat seines Vaters. Die Vorfahren des Vaters stammten aus Indien und wurden Mitte des 19. Jahrhunderts als «Kontraktarbeiter» unter sklavenähnlichen Bedingungen in die Karibik verschifft, um für die britische Kolonialmacht auf den Kakaoplantagen zu arbeiten. Deans Mutter stammt aus dem Aargau und war die Tochter von «Stumpenfabrikarbeitern», die den Tabak aus Übersee in Rauchware umformten. In Deans Familiengeschichte spiegelt sich ein Stück verdrängte Kolonialgeschichte. Seine Hautfarbe wurde schnell zum Tabu im konservativen Dorf. Was hat das mit ihm gemacht? Wie versöhnt man sich mit der eigenen traumatischen Vorgeschichte? Und wie lernt man, das Fremde als solches wertzuschätzen?
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Vertiefende Gespräche mit herausragenden Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik. Die Sternstunde Philosophie vermittelt lebensnahe Denkanstösse zu zentralen Fragen unserer Zeit.
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Folge vom 04.01.2025Fremd in der Welt – Martin R. Dean über Herkunft und Identität
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Folge vom 21.12.2024Tobias Haberl – Der Wille zum GlaubenKaum jemand mag sich heute noch zum Christentum bekennen. Der Journalist Tobias Haberl tut es und stellt fest, dass er dafür belächelt oder sogar diskriminiert wird. Was die heutige Gesellschaft von gläubigen Menschen lernen könnte, erklärt er im Gespräch mit Wolfram Eilenberger. Der Journalist und Autor Tobias Haberl ist gläubiger Katholik. Er macht die Erfahrung, dass er sich dafür sowohl im privaten als auch beruflichen Umfeld immer öfter rechtfertigen muss. Was in seiner Kindheit selbstverständlich war, als noch die grosse Mehrheit einer christlichen Konfession angehörte, scheint etwas Unerhörtes geworden zu sein. Auch wenn es nur Halbsätze oder subtile Blicke sind, gäben ihm gerade Menschen, die Toleranz für Minderheiten fordern, das Gefühl, den Sprung in die Gegenwart verpasst zu haben. Auch Haberl hadert mit den Fehlern der Kirche, trotzdem plädiert er in seinem Buch «Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe» dafür, im Zusammenhang mit Religion nicht nur über Missbrauch, Vertuschung und die längst fällige Modernisierung zu sprechen. Vielmehr stellt der die Frage, was mit dem Verzicht auf den Glauben verloren geht. Ist die innere Leere und Erschöpfung, die er bei anderen wahrnimmt und die durch Befriedigung immer neuer Bedürfnisse zu stillen versucht wird, nicht eine Folge von Glaubensverlust? Im Gespräch mit Wolfram Eilenberger erklärt er, warum das Leben nicht freier werde, wenn Gott entsorgt wird, und warum der Reiz zu glauben gerade darin liege, dass man Gott nicht beweisen kann.
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Folge vom 07.12.2024Selbst schuld! Wie weit reicht Eigenverantwortung?Arm? Selbst schuld. Krank? Selbst schuld. Überfordert als Mutter? Selbst schuld. In einer neoliberalen Gesellschaft sei das Individuum alleinig seines Glückes und damit auch Unglückes Schmied. So die Grundthese des neuen Buchs «Selbst schuld!». Stoff für einen kontroversen Stammtisch. Selbst wenn die Bedingungen noch so widrig sind, in der neoliberalen Gesellschaft werde jede und jeder Einzelne vollumfänglich verantwortlich gemacht für ein gelingendes Leben, für den sozialen Aufstieg, für Gesundheit und Zufriedenheit. Im Umkehrschluss sei dann auch jedes Individuum selbst schuld, wenn der Aufstieg zum Abstieg wird oder die chronische Krankheit die Krankenkassenkosten in die Höhe schnellen lässt. So der Grundtenor des Buches «Selbst schuld!», unter anderem herausgegeben von der Publizistin Ann-Kristin Tlusty. Die Folge: Systemblindheit, weil immer mehr Eigenverantwortung gefordert, statt Solidarität gefördert wird. Ann-Kristin Tlusty und Stefan Manser-Egli, Philosoph und Co-Präsident der Operation Libero, sind zu Gast am philosophischen Stammtisch bei Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger. Sie diskutieren, wie weit die Eigenverantwortung reichen sollte und was wir verlieren, wenn keiner mehr schuld ist an dem, was er oder sie sich einbrockt.
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Folge vom 30.11.2024Was ist ein sinnvolles Leben, Susan Wolf?Die Not in unserer Welt ist gross. Gerade in der Vorweihnachtszeit fragen sich viele: Wie viel sollte ich spenden? Die Moralphilosophin Susan Wolf sagt überraschend: Es geht nicht darum, dass wir alle moralische Heilige werden. Das wäre sogar ein grosser Verlust für die Welt. Wie kommt sie darauf? Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist ein «Evergreen» der Philosophie. Solange der Gottesglaube dominierte, verfügte sie allerdings nicht über die Brisanz, die ihr zukommt, wenn sich die Sinnstiftung nicht mehr für alle an eine höhere Macht delegieren lässt. Wenn Gott tot ist, bleibt nur, den Sinn dem Leben selbst zu gehen. Wie das gelingt, darüber denkt die renommierte US-amerikanische Philosophin Susan Wolf, die dieses Jahr die Einstein-Lectures an der Universität Bern hält, seit vielen Jahren nach. Sie definiert ein sinnvolles Leben als eines, in dem man sich leidenschaftlich Projekten verschreibt, die auch von objektivem Wert sind. Das müssen nicht zwingend moralische Unterfangen sein. Eine Feinschmeckerin, ein Musiker oder eine Hobbygärtnerin zeigen genauso Leidenschaft für eine Sache von objektivem Wert. Denn für Wolf ist klar: Menschen sind nicht dazu da, die Welt zu verbessern, sondern etwas aus ihrem Leben zu machen. Aber darf man in erster Linie nach eigener Sinnerfüllung streben, wenn es anderen schlecht geht? Barbara Bleisch hakt nach.Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist ein «Evergreen» der Philosophie. Solange der Gottesglaube dominierte, verfügte sie allerdings nicht über die Brisanz, die ihr zukommt, wenn sich die Sinnstiftung nicht mehr für alle an eine höhere Macht delegieren lässt. Wenn Gott tot ist, bleibt nur, den Sinn dem Leben selbst zu gehen. Wie das gelingt, darüber denkt die renommierte US-amerikanische Philosophin Susan Wolf, die dieses Jahr die Einstein-Lectures an der Universität Bern hält, seit vielen Jahren nach. Sie definiert ein sinnvolles Leben als eines, in dem man sich leidenschaftlich Projekten verschreibt, die auch von objektivem Wert sind. Das müssen nicht zwingend moralische Unterfangen sein. Eine Feinschmeckerin, ein Musiker oder eine Hobbygärtnerin zeigen genauso Leidenschaft für eine Sache von objektivem Wert. Denn für Wolf ist klar: Menschen sind nicht dazu da, die Welt zu verbessern, sondern etwas aus ihrem Leben zu machen. Aber darf man in erster Linie nach eigener Sinnerfüllung streben, wenn es anderen schlecht geht? Barbara Bleisch hakt nach.