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Warum wir Regeln, Vorschriften und Paragrafen brauchen
Ein bekanntes Zitat aus der Zeit nach der Wiedervereinigung besagt: "Wir haben nach Gerechtigkeit gestrebt und den Rechtsstaat erhalten." Tatsächlich drückte sich die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley differenzierter aus.
Doch die Vorstellung eines Rechtsstaats, der als unvollständiger Gerechtigkeitsstaat wahrgenommen wird, ist bis heute weit verbreitet. Wegen seiner komplizierten Gesetzgebung und langwierigen Prozesse wirkt er auf viele wie ein undurchschaubarer Dschungel. Dabei wird leicht übersehen, dass der Rechtsstaat in erster Linie jene Freiheit sichert, die in gesetzlosen Gesellschaften nur den Mächtigsten und Wohlhabendsten zusteht.
Der Übergang zu einem Unrechtsstaat kann schneller geschehen, als man erwarten mag. So stellte der jüdische Jurist Ernst Fraenkel fest, wie der ach so stabil erschienene "Normenstaat" unter den Nationalsozialisten von einem "Maßnahmenstaat" verdrängt wurde, in dem das Recht nur noch als leere Fassade existierte. Gerade deshalb ist die strikte Einhaltung von Regeln von höchster Bedeutung, denn Regelverletzungen dürfen auf keinen Fall Anerkennung finden.
Anstatt den Rechtsstaat zu unterschätzen, sollten wir ihn würdigen. Andernfalls könnte es eines Tages heißen: "Wir haben Freiheit angestrebt und erhielten einen Maßnahmenstaat." Eine Warnung, die aus der Ferne durch die Trump-Ära in den USA zu uns dringt.
"Warum wir Regeln, Vorschriften und Paragrafen brauchen" im Überblick
Warum wir Regeln, Vorschriften und Paragrafen brauchen
von Florian Felix Weyh
Produktion: 2025
Sendezeit | Fr, 25.07.2025 | 20:05 - 21:00 Uhr |
Sendung | Deutschlandfunk "Das Feature" |