Wir wollen in dieser neuen Folge endlich mal ein bisschen träumen, und natürlich auch realistisch prüfen: Wäre es machbar, dass alle weniger arbeiten? Denn das ist ja fast schon der Zeitgeist: Ein Termin jagt den nächsten und Freizeit, auch Freunde, müssen hinten anstehen. Außerdem ist Arbeit noch sehr ungleich und ungerecht verteilt. Viele Menschen arbeiten sehr viel mehr als andere - dafür aber schlechter bezahlt. Da hilft auch die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit nicht.
Dass diese Arbeits- und Zeitkultur in den westlichen Industriestaaten nicht alternativlos ist, zeigt die Journalistin Teresa Bücker in ihrem neuen Buch "Alle Zeit". Damit ist sie nicht die Erste. Auch die Soziologin Frigga Haug hat schon mit ihrer sogenannten 4-in-1-Perspektive für eine Neubewertung und Neugestaltung von Arbeit plädiert. Wenn es nach ihr ginge, gäbe es vier Arten von Arbeit. Die klassische Erwerbsarbeit ist nur ein Teil davon und füllt den Tag nicht mehr als vier Stunden aus.
Diese Utopien diskutieren wir und hören auch den Altenpfleger Manuel Wiegert, der bis zu seinem Burnout 400 Überstunden ansammelte. Er berichtet davon, wie es sich anfühlt, eindeutig zu viel zu arbeiten. Und dann liegen bei solchen Utopien auch allerlei Stolperfallen bereit. Was passiert zum Beispiel, wenn die Care-Arbeit, also die Sorge um Familie, vom Staat bezahlt werden würde, wie das viele Feministinnen fordern? Davor warnt die Journalistin und Autorin Mirna Funk.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Hosts und Redaktion: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
WEBLINKS und HINWEISE
Teresa Bückers Buch "Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit. Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann" ist am 19. Oktober 2022 bei Ullstein erschienen.
Mirna Funks Buch “Who Cares. Von der Freiheit Frau zu sein” ist im Mai 2022 bei dtv erschienen.
Hier noch Mirna Funks erwähnter Artikel in der NZZ zur Care-Arbeit:
https://www.nzz.ch/meinung/care-arbeit-ist-der-kampfbegriff-einer-schieflaufenden-feministischen-debatte-ld.1706193?reduced=true

Kultur & GesellschaftTalk
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Der Podcast spürt dem hinterher, was wichtig bleibt vom aktuellen Kulturgeschehen. Was sagt das Gegenwartskino aus über unser Verhältnis zum Militär? Warum erscheinen zurzeit so viele autobiografische Romane? Was machen NFTs mit dem Kunstmarkt? Autorinnen und Autoren aus der SWR Kultur-Redaktion Aktuelle Kultur verfolgen den Zeitgeist, mal feuilletonistisch, mal nüchtern auf den Punkt, immer interessiert. Schlicht: Die Seite 3 unter den Podcasts!
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84 Folgen
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Folge vom 21.10.2022Die 20-Stunden-Woche für alle – Mehr als eine Utopie?
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Folge vom 14.10.2022Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus. Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein. Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns. Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird. Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“ Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“: https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/ Weblinks zum Thema: Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/ Midjourney: https://www.midjourney.com/home/ Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/ Mario Klingemann: https://quasimondo.com/ KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/ Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/ Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de Host: Max Knieriemen Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer
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Folge vom 07.10.2022Literaturnobelpreis an Annie Ernaux: Erfinderin der modernen AutofiktionDas Nobelpreiskomitee lobt ihren Mut und die „klinische Schärfe“ mit der Annie Ernaux „Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“. Sie selbst sagt, sie habe angefangen zu schreiben, um ihre Klasse zu rächen. In ihren Büchern hat die frisch gebackene Nobelpreisträgerin persönliche Erinnerungen aufgezeichnet, und dabei immer ihre eigene Position als Frau innerhalb der französischen Gesellschaft genau verortet. Ein Ansatz, der Schule gemacht hat. „Annie Ernaux hat unglaublich viele Frauen beeinflusst und ermutigt zu schreiben und sich durchzusetzen im Literaturbetrieb - und das im patriarchal geprägten Frankreich“, erklärt der Kulturjournalist und Frankreich-Kenner Nils Minkmar in „Was geht - was bleibt“. Die Super 8 Tagebücher von Annie Ernaux in der ARTE-Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/101402-000-A/annie-ernaux-super-8-tagebuecher/ In einer früheren Folge von "Was geht - was bleibt?" haben wir schon mal über Annie Ernaux gesprochen: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/annie-ernaux-neues-buch-warum-boomt-autobiografische-literatur/swr2/10554393/ Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de Host: Max Knieriemen Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer
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Folge vom 30.09.2022"Frauen, Leben, Freiheit": Schreibt der Iran gerade feministische Weltgeschichte?Eine junge Frau ohne Kopftuch, die auf dem Dach eines Autos steht und „Tod dem Diktator“ ruft. Zwei Frauen, die ohne Kopftuch frühstücken gehen. Frauen, die gegen die allgegenwärtige Sittenpolizei protestieren. Noch vor kurzer Zeit wäre all das im Iran undenkbar gewesen. Seit etwa zwei Wochen ereignen sich derartige Szenen in der Islamischen Republik immer wieder. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei festgenommen wurde und später im Krankhaus starb. Die daraus entstandenen Proteste berühren einen Kernbestandteil der Islamischen Republik: die Pflicht für Frauen, ein Kopftuch zu tragen. Schreiben die Frauen im Iran gerade feministische Weltgeschichte? „Ja“, sagt die Journalistin Natalie Amiri im SWR2 Podcast „Was geht - was bleibt“. „Denn auf den Straßen stehen Frauen, sie reißen sich das Kopftuch vom Leib, unter dem Beitrag von Männern und Frauen, sie verbrennen ihre Kopftücher, sie widersetzen sich der Sittenpolizei, die sie mehr als 40 Jahre lang diskriminiert hat, beleidigt, beschimpft, verhaftet und in Mini-Busse gezerrt und sie fertig gemacht hat. Die Frauen, die jetzt sagen: Wir machen nicht mehr mit. Aber – so Amiri – das Regime schlage hart zurück. Die Frauen im Iran litten seit mehr als 43 Jahren, „ich habe nie so willensstarke Frauen wie die im Iran gesehen“, sagt Natalie Amiri. Feminist*innen auf der ganzen Welt sollten sich noch weitaus mehr mit den Frauen im Iran solidarisieren, ein Kopftuchverbot zum Beispiel in Deutschland lehnt Amiri jedoch ab: „Wenn wir hier in der Demokratie, in Freiheit Frauen verbieten Kopftücher zu tragen, wären wir nicht viel besser als die Islamische Republik.“ Die Politologin und Aktivistin Emilia Roig sieht die iranischen Proteste im Kontext eines weltweiten Feminismus: „Der Protest zeigt, wie tödlich das Patriarchat im Iran ist. “Auch in Deutschland gebe es Gewalt gegen Frauen, so Roig: „Alle drei Tage wird hier eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.“ Man müsse das Patriarchat „jeden Tag verlernen“, „wir müssen die unterlegene Position der Frauen verlernen und auch die binäre Geschlechtsordnung.“ Habt Ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de Host: Philine Sauvageot Redaktion: Philine Sauvageot und Daniel Stender