Der erst 22-jährige Schweizer Autor Nelio Biedermann legt mit «Lázár» bereits seinen zweiten Roman vor. Und die deutsche Autorin Jasmin Ramadan erzählt in ihrem neuen Buch von einer Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.
«Lázár», der neue Roman des 22-jährigen Schweizer Schriftstellers Nelio Biedermann, erzählt die Geschichte einer ungarischen Adelsfamilie. Vom Alltag im edlen Waldschloss in die soziale Mittellosigkeit, bis zur Flucht in die Schweiz begleitet man mehrere Generationen aus der Familie von Lázár in den politisch unsteten Zeiten des 20. Jahrhunderts. Die Figuren hüten Geheimnisse, glühen vor Sehnsucht, verzweifeln über die Politik, lieben, hassen und überleben. Allen politischen Umständen zum Trotz. Ein lesenswertes, atmosphärisches Buch, findet Jennifer Khakshouri.
Sehr viel kriegt Lilith, genannt Lit, nicht auf die Reihe. Mit ihrer Kunst hat sie kaum Erfolg, das Geld ist immer knapp und ihre Mutter, eine populäre Psychotherapeutin, diagnostiziert Lit ein Leiden, bei dem man die eigenen Gefühle nicht wahrnimmt. Lit bläst aber nicht Trübsal, sondern macht sich mit einer grossen Portion trockenem Humor auf eine Reise an die Nordsee. Sie trifft auf herrlich verschrobene Figuren und kommt, wie nebenbei, einem Trauma auf die Spur. Für Tim Felchlin ist «Reality» von Jasmin Ramadan ein besonderer Roman, weil er wahnsinnig witzig ist und mit einem unerwartet ernsten Kern überrascht.
Buchhinweise:
Nelio Biedermann. Lázár. 336 Seiten. Rowohlt Berlin, 2025.
Jasmin Ramadan. Reality. 256 Seiten. Weissbooks, 2025.
Caroline Wahl. Die Assistentin. 368 Seiten. Rowohlt, 2025.
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Folge vom 02.09.2025Aktuelle Buchempfehlungen: «Lázár» und «Reality»
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Folge vom 26.08.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Lebenswege und PrägungenGleich dreimal blicken Menschen auf ihre Vergangenheit zurück und stellen sich die Frage, wie sie davon geprägt worden sind. Die Literatur-Stammtischrunde im SRF1-Buchzeichen bespricht Bücher von Usama al Shahmani, Leon Engler und Marco Wanda. Usama al Shahmani erzählt die Geschichte von Gadi, einem Zürcher Dozenten, der nach über 30 Jahren Funkstille seinen sterbenden Vater in Israel besucht. Nach dessen Tod bleibt ihm eine Tasche mit Tagebüchern und der Wunsch des Vaters, die Hälfte seiner Asche im Tigris zu verstreuen. Beim Lesen entdeckt Gadi die verdrängte Vergangenheit seines Vaters – ein jüdisches Leben in Bagdad, geprägt von Ausgrenzung, Pogromen und Flucht. Die Reise nach Bagdad wird zur Konfrontation mit Geschichte, Identität und Erinnerung und einer Auseinandersetzung mit dem Vater, die den Vater dem Sohn näher rücken lässt. Ein wichtiges Buch, auch um das aktuelle Zeitgeschehen zu verstehen, findet Literaturredaktorin Annette König. In «Botanik des Wahnsinns», dem Debüt des deutsch-österreichischen Autors Leon Engler, blickt ein junger Mann auf die Lebensläufe in seiner Familie zurück. Was er sieht, ist ein Stammbaum des Wahnsinns. Die Grossmutter: bipolar, zwölf Suizidversuche. Der Grossvater: ständig in der Psychiatrie. Die Mutter: Alkoholikerin. Der Vater: depressiv. Wie schafft man es, mit diesem Background nicht selbst verrückt zu werden, zumal viele psychische Krankheiten als erblich gelten? Literaturredaktorin Katja Schönherr stellt den Roman vor und lobt ihn als «stilistisches Glanzstück». Der Buchtipp diese Woche stammt von Gastgeber Michael Luisier. Er stellt «Dass es uns überhaupt gegeben hat» des österreichischen Bandleaders und Rocks-Sängers Marco Wanda vor. Buchhinweise: Usama Al Shahmani. In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied. 224 Seiten. Limmat, 2025. Leon Engler. Botanik des Wahnsinns. 208 Seiten. DuMont, 2025. Marco Wanda. Dass es uns überhaupt gegeben hat. 288 Seiten. Zsolnay, 2025.
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Folge vom 19.08.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Schauplatz Moskau, Schauplatz KiewMaya Rosa erzählt in «Moscow Mule» vom Leben in Moskau und dem Traum einer jungen Frau in den Westen aufzubrechen. Dmitrij Kapitelman lässt in «Russische Spezialitäten» seinen Protagonisten, der in Deutschland lebt, für einige Tage in seine Heimatstadt Kiew zurückkehren, das vom Krieg versehrt ist. Wer diesen Roman liest, fühlt sich regelrecht hineingeworfen – ins Moskau der Nuller Jahre. In die verschlingende Tiefe der U-Bahn-Schächte. Ins ratternd-rastlose Leben einer Studentin. Ihr Name: Karina. Ihr Traum: Ein Leben in Westeuropa, am liebsten in Berlin. «Moscow Mule» ist der Debütroman der deutsch-russischen Autorin Maya Rosa. Er handelt vom Freiheitsdrang einer jungen Frau. En passant beschreibt er aber auch die politischen Entwicklungen in Russland. Erzählt ist das Ganze in einem einzigartig rasanten, oft sarkastischen Ton. Eine Leseempfehlung von SRF-Literaturredaktorin Katja Schönherr. Für ihn sei Humor die menschlichste Art, ehrlich zu sein, sagt der deutsch-ukrainische Schriftsteller Dmitrij Kapitelman. Herzergreifend komisch erzählt er in «Russische Spezialitäten» seine Familiengeschichte. Es geht um den Laden, den seine Eltern im Ostdeutschland der Nachwendezeit betrieben und um die Mutter, die zur glühenden Putin-Anhängerin wurde. Eine aufwühlende und beglückende Lektüre, findet SRF-Literaturredaktorin Franziska Hirsbrunner. Buchhinweise: Maya Rosa. Moscow Mule. 318 Seiten. Penguin, 2025. Dmitrij Kapitelman. Russische Spezialitäten. 192 Seiten. Hanser Berlin, 2025.
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Folge vom 12.08.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Wir sind, was wir werden (W)Die Ostdeutsche Julia Schoch erzählt in «Wild nach einem wilden Traum» von einer Frau, die von der Erinnerung an eine Affäre eingeholt wird. Der US-Amerikaner Michael Cunningham fragt in «Ein Tag im April», wie sich eine Familie entwickelt, die wegen Corona auf sich selbst zurückgeworfen wird. «Wild nach einem wilden Traum» heisst der neue Roman von Julia Schoch. Die Ich-Erzählerin, eine mittelalte Schriftstellerin, erinnert sich an eine Affäre, die sie als junge Frau mit einem Katalanen hatte. Aber warum muss sie ausgerechnet jetzt wieder an ihn denken? Und welche Lehren für ihr jetziges Leben kann sie aus dieser Erinnerung ziehen? Wie immer schreibe Julia Schoch in simplen Sätzen, «die es aber hin sich haben», sagt Katja Schönherr. Die kleinste, scheinbar banalste Alltagsbeobachtung verwandele die Autorin «in grosse Philosophie». Michael Cunningham hat mit «Die Stunden» vor über zwanzig Jahren einen internationalen Bestseller geschrieben. Darin ging es um drei Frauen in drei unterschiedlichen Epochen. Sein jüngster Roman «Ein Tag im April» begleitet eine Familie in Brooklyn - ein Ehepaar um die vierzig mit zwei Kindern. Das Buch erzählt aus dem Leben der Familie und deren Dynamiken immer am gleichen Tag in drei aufeinander folgenden Jahren: am 5. April 2019, 2020 und 2021. Die Familie wird in dieser Zeit vom Lockdown geprüft. Jennifer Khakshouri fühlte sich bei der Lektüre «gut unterhalten» und war «beeindruckt vom literarischen Handwerk des Schriftstellers». Der Schweizer Sprachakrobat Michael Stauffer legt mit dem Buch «Wühl!» eine inspirierende Sammlung von Kurztexten vor. Sie hinterfragen Klischees, bürsten tradierte Begriffe gegen den Strich und bringen Absurditäten des Alltags auf den Punkt. Für Felix Münger ist das Buch «eine ideale Lektüre für zwischendurch», um sich «zu amüsieren, auf andere Gedanken zu kommen oder sich bewusst irritieren zu lassen». Buchhinweise: Michael Cunningham. Ein Tag im April. Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné. 352 Seiten. Luchterhand 2025. Julia Schoch. Wild nach einem wilden Traum. 176 Seiten. dtv, 2025. Michael Stauffer. Wühl!. 268 Seiten. Der gesunde Menschenversand, 2025. Wiederholung der BuchZeichen-Sendung vom 13.05.2025