Hans Joachim Simm: Und heute mild und morgen wild - Meeresbegegnungen und Meeresphantasien

Seit jeher hat der Ozean das tiefsinnige Reflektieren gefördert und trotz aller Risiken sowohl zu friedlichen als auch zu weniger friedliebenden Handlungen ermutigt. In sämtlichen Religionen wird Wasser als Ursprung allen Lebens und als reinigendes Element angesehen. Die Erde war zu Beginn der Schöpfung von Wasser bedeckt, und die gewaltigen Fluten, die von Flüssen und dem Ozean über das Land hereinbrechen, symbolisieren ebenfalls eine zerstörerische Naturkraft. Wasser steht daher nicht nur für den Ursprung des Daseins, sondern auch für dessen Ende.

Der Ozean und die Schifffahrt wurden zu Metaphern für Begrenztheit und Endlichkeit ebenso wie für Offenheit und Wissensdurst, für menschliche Sehnsüchte und Erkundungen des Unbekannten sowie für Risiken und Chancen in der Begegnung mit dem Unvertrauten. Das Meer brachte Gesellschaften und Kulturen einander näher, war jedoch auch Schauplatz kriegerischer Konflikte. Seefahrten ermöglichten, noch bevor sie zu touristischen Vergnügungen wurden, die Ausbreitung von Krankheiten.

Die Philosophie betrachtet die maritime Entdeckungsreise zudem als eine Konfrontation mit dem eigenen Ich, eine Fahrt in das unendliche Meer der Gedanken, einen nie endenden Denkprozess. Literatur in Gedichten, Geschichten, Romanen und Epen beleuchtet die Faszination des Meeres, indem sie glückliche Fahrten, idyllische Strände und sichere Häfen ebenso darstellt wie schicksalshafte Irrwege und den Kampf gegen die Naturgewalten von Sturm und Wellen.