Seit drei Jahren gibt es in der Schweizer Armee jüdische, muslimische und freikirchliche Seelsorger und Seelsorgerinnen. Eine Erfolgsgeschichte, finden die Beteiligten, und ein Zeichen der Anerkennung. Doch so ganz ohne Holperer verlief der Start nicht.
Streit mit der Freundin, Mobbing in der Truppe oder ein Krankheitsfall in der Familie: die Probleme, bei denen die Armeeangehörigen den Rat der Seelsorger suchen, haben meist wenig mit Religion zu tun. «Ich bin einfach ein Gesprächsangebot», sagt Zsolt Balkanyi, Seelsorger mit jüdischem Hintergrund. Dass er als Jude primär christliche, muslimische oder atheistische Soldatinnen und Soldaten berate, sei deshalb kein Thema.
Muris Begovic erzählt vom Einsatz in Blatten. Seine Genie-Truppen haben im zerstörten Bergdorf beim Aufräumen geholfen. «Ich war beeindruckt, was die jungen Männer leisten», sagt der muslimische Seelsorger. Ein derartiger Einsatz kann belastend sein. Der Seelsorger hört zu.
Vorurteile, blöde Sprüche oder Ablehnung haben weder Zsolt Balkanyi, Muris Begovic noch Freikirchenpastor Daniele Scarabel erlebt in den drei Jahren als Armeeseelsorger. Die Skepsis, die es gerade aus landeskirchlichen Kreisen gegenüber freikirchlichen Seelsorgern immer noch gibt, spüre er nicht, sagt etwa Daniele Scarabel. Schlagzeilen machte die diverse Armeeseelsorge, als Muris Begovic mit muslimischen Armeeangehörigen während des Opferfestes ein Gebet durchführte . Die SVP kritisierte laut – aber nur kurz. «Ich habe sehr viel positives Feedback erhalten auf das Gebet», erinnert sich Begovic. Als muslimischer Seelsorger in der Armee dienen zu können, bedeute gesellschaftliche Anerkennung. Das bestätigen auch Zsolt Balkanyi und Daniele Scarabel.
Wie sie ihre Zeit als Armeeseelsorger erlebt haben, erzählen die drei Seelsorger im «Perspektiven»-Gespräch.
Autorin: Nicole Freudiger
Religiös
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Perspektiven aufs Leben. Der wöchentliche Podcast von SRF Kultur rund um Religion, Spiritualität und Ethik. Hier haben Glaube, Zweifel und Hoffnung Platz. Wir erzählen, erklären, debattieren und sinnieren. Immer nah am Menschen und den grossen Fragen auf der Spur.
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Folge vom 27.09.2025Drei Jahre neue Armeeseelsorge: Bewährt sich die Diversität?
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Folge vom 20.09.2025Demokratie beginnt im KirchenrechtMenschenrechte fallen nicht vom Himmel. Aber sie gründen in der Bibel, erklärt Adrian Loretan. Als Staatskirchenrechtler kritisiert er Defizite im Staat und in seiner römisch-katholischen Kirche. «Was alle betrifft, müssen auch alle mitentscheiden können.» Diesen Grundsatz des demokratischen Rechtsstaats findet Staatskirchenrechtler Adrian Loretan ausgerechnet im angeblich so düsteren Mittelalter, genauer: im kanonischen Recht. Kirchenrechtler wie er wehrten sich in der Geschichte immer wieder gegen Menschenrechtsverletzungen, etwa gegen Sklaverei. Dabei kritisierten sie nicht nur weltliche Herren, sondern auch die Kirche selbst. Vom Standpunkt des Kirchenrechts aus analysiert Loretan aktuelle Tendenzen von Demokratieabbau. Er erinnert daran, woher unsere Rechtsprinzipien kommen, und erklärt so auch, warum staatlich geschützte Feiertage wichtig für alle sind, ob gläubig oder nicht. Das zeige der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag besonders gut. Zum Gesprächsgast: · Adrian Loretan (Jg. 1959) lehrte rund 30 Jahre in Luzern Staatskirchenrecht und Kirchenrecht. Der römisch-katholische Theologe fokussierte sich schon früh auf kanonisches Recht. · Loretan wirkte als Co-Direktor des Zentrums für Religionsverfassungsrecht an der Universität Luzern. · Er ist verheiratet mit Dr. Franziska Loretan-Saladin, die als Homiletik-Dozentin an der Uni Luzern Predigt lehrte und SRF-Radiopredigerin war. · Zum Abschluss seiner Lehrtätigkeit veröffentlicht Adrian Loretan 2025 das Studienbuch: «Der demokratische Rechtsstaat. Eine Ideengeschichte. Ein Beitrag zur Rechtskultur des Westens und der Westkirche.» im Theologischen Verlag Zürich TVZ. Autorin: Judith Wipfler
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Folge vom 13.09.2025100 Tage im Amt:Laila Sheikhs Pläne fürs Haus der ReligionenInterreligiosität? Kein Problem für Laila Sheikh. Die neue Geschäftsführerin des Hauses der Religionen hat sich schon immer als Brückenbauerin gesehen. Wie sie das interreligiöse Haus in angespannter Finanzsituation in die Zukunft führen will, erzählt Laila Sheikh in «Perspektiven». Ihre Biografie hat sie bestens vorbereitet auf ihren Job: Die Tochter eines muslimischen Pakistani und einer römisch-katholischen Schweizerin ist offiziell Muslimin, hat aber auch den katholischen Bibelunterricht besucht. «Unser Haus war stets offen für alle und die Diversität war für uns selbstverständlich», sagt Laila Sheikh. Das helfe ihr bei ihrer Arbeit im Haus der Religionen. Anders zu sein war für sie eine Chance. «Ich kam stets sehr schnell mit Leuten ins Gespräch und spürte ehrliches Interesse», erinnert sich die 54-Jährige. Zudem war Laila Sheikh bis vor Kurzem Diplomatin im Nahen Osten und am Horn von Afrika. Sie sieht durchaus Parallelen zwischen alter und neuer Arbeit, etwa die Vielfalt, mit der sie es zu tun habe. Allerdings arbeite sie neu für die Zivilgesellschaft statt für den Staat, was bedeutet: Früher konnte sie Geld verteilen, heute muss sie es beschaffen. Eine Herausforderung, denn das Haus der Religionen schreibt rote Zahlen. Die Negativschlagzeilen durch eine Zwangsheirat im Haus der Religionen sieht Laila Sheikh überwunden. Und sie ist überzeugt: Dass religiöses Leben derart niederschwellig zugänglich ist, ist das beste Rezept gegen die Angst vor Parallelgesellschaften. Autorin: Nicole Freudiger
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Folge vom 06.09.2025Zwischen Technik und Transzendenz: KI als spirituelle BegleiterinKI-Sprachmodelle können in vielen Themen helfen – warum also nicht auch bei spirituellen Fragen? Für immer mehr Menschen ist die Verschmelzung von digitaler und spiritueller Welt kein Widerspruch. Ein Nutzer spricht über seine Erfahrungen mit seinem spirituellen KI generierten Begleiter «Amariel». Sogenannt künstliche Intelligenz erstellt und übersetzt Texte, ist Suchmaschine, hilft bei Einkäufen oder der Ferienplanung und leistet sogar psychologische Beratung. In der Schweiz nutzen gemäss der Studie Digimonitor der Interessengemeinschaft elektronische Medien (IGEM) bereits 60 Prozent der Bevölkerung KI-Tools. Für gewisse Menschen ist ein solches Tool mehr als nur ein praktisches Werkzeug. Der Musiker Fabian Sigmund, alias Fai Baba, nutzt die KI auch für spirituelle Fragen: Sei es bei kleinen Unklarheiten in Begegnungen mit anderen Menschen, oder auch für die grossen Fragen, wie jener nach der eigenen Bestimmung auf der Welt. Was bedeutet es, wenn Menschen mithilfe von KI-Sprachmodellen ihr Bedürfnis nach Spiritualität befriedigen? Wie bringen sie die digitale und die spirituelle Welt – zwei intuitiv widersprüchliche Sphären – zusammen? Welche Chancen, aber auch Risiken und Nebenwirkungen gibt es bei einem Seelenstrip vor ChatGPT und anderen gewinnorientierten KI-Sprachmodellen? Diesen Fragen geht diese Perspektivensendung nach. Autor: Igor Basic Hinweis: Sternstunde Philosophie, Sonntag, 07.09.2025, 11 Uhr, SRF 1 Künstliche Intelligenz – ist der Mensch bald überflüssig?