
NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 13.09.2023Döblin, Heine und wirVom Alfred-Döblin-Platz in Berlin-Mitte zur Heinrich-Heine-Straße ist es nur ein Katzensprung, literaturhistorisch trennen den 1856 gestorbenen Heine und den 1878 geborenen Döblin hingegen mehrere Generationen. Was sie verband, ist außer der assimiliert-jüdischen Herkunft und der leidvollen Exilerfahrung mit Sicherheit auch ein waches politisches Bewusstsein, weshalb die Idee des Verlages Hoffmann und Campe, Döblin 1923 eine Vorrede zu einer Neuausgabe von Heines Versdichtungen „Deutschland“ und „Atta Troll“ verfassen zu lassen, extrem plausibel erscheint. Die Vossische Zeitung, für deren Morgenausgabe man am 13. September bereits 300.000 Mark aufwenden musste, druckte diese einleitenden Worte nach, für uns eingelesen hat sie Frank Riede.
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Folge vom 12.09.2023Hakoah Wien triumphiert über West Ham UnitedFirst Vienna, Wiener Sportclub, Admira, Wacker, Austria, Rapid, ... – Wien hat fraglos viele lässige Fußballclubs mit fast immer bewegter Geschichte. Am allerbewegendsten ist vielleicht die vom SC Hakoah, dem jüdischen Verein aus dem zweiten Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, der nicht nur 1925 erster österreichischer Profi-Fußballmeister wurde, sondern es bereits zwei Jahre zuvor mit einem einzigen Freundschaftsspiel zu internationaler Berühmtheit geschafft hatte: Gegner West Ham United spielte seinerzeit zwar nur in der zweiten englischen Liga. Der Sieg Hakoahs im Londoner Upton Park war jedoch überhaupt der allererste, der einem Team vom Kontinent gegen einen englischen Club auf der Insel gelang, und hätte insofern in jeder Höhe sporthistorische Bedeutung gehabt. Dass der Triumph der Wiener mit 5:0 gleich überaus deutlich ausfiel, machte das Ereignis freilich zu einer Sensation, von der die Tageszeitungen in ganz Europa, und auch in Berlin, ausführlich berichteten. Da das Berliner Tageblatt im Vorfeld natürlich keinen Korrespondenten entsandt hatte, druckte man hier einfach einen Artikel aus der Sportbeilage des Neuen Wiener Tagblattes nach, das die lokalen Helden in den höchsten, zum Teil etwas irritierend markig-militaristischen Tönen pries. Für uns tut dies Paula Rosa Leu.
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Folge vom 11.09.2023Krise in ThüringenDer Landtag von Thüringen hat schon so manche Turbulenz erlebt – es sei nur an die 28tägige Ministerpräsidentschaft von Thomas Kemmerich aus dem Jahre 2020 erinnert, der mit den Stimmen der AFD gewählt worden und unter enormem Druck sofort wieder zurüchgetreten war. 1923 regierten die SPD unter August Fröhlich zusammen mit der USPD als von der KPD tolerierte Minderheitsregierung seit beinahe zwei Jahren. Doch ein Scheitern dieses Modells stand unmittelbar bevor, wovon die Vossische Zeitung am 11. September berichtete. Wir entnehmen diesem Artikel, für dessen Lektüre bereits 300.000 Mark zu zahlen waren, dass auch damals das Hauptaugenmerk darauf lag, wie man eine Stärkung der NSDAP und der KPD verhindern könne – was uns wieder zur kommenden Wahl in Thüringen 2024 und den Umfragewerten der AFD führt. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 10.09.2023Vom Watzmann zum Königssee in InflationszeitenStolze 150.000 Mark kostete der Berliner Lokal-Anzeiger am 10. September 1923 und auch alle sonstigen Lebenshaltungskosten stiegen weiterhin in atemberaubendem Tempo. So konnte es passieren, erfahren wir eben dort aus einem Bericht von Eva Gräfin von Baudissin, dass manche Familie am Bahnhof von Berchtesgaden ihre Rückreise aus dem Urlaub nicht mehr zu bezahlen vermochte. Die Autorin hat es weniger schwer getroffen, aber auch sie mag sich auf der Berghütte nur mehr die Erbsensuppe leisten, wo jede nächtliche Matratze überdies mittlerweile statt an eine an zwei Personen vermietet wird. Allein die spektakuläre Hochgebirgsnatur um Watzmann und Hochkalter lässt sich von den Abgründen der menschengemachten Inflation zu ihren Füßen naturgemäß nichts anhaben. Und doch schlägt sinnbildlich auch hier das sonnenklare Spätsommerwetter in unwirtlichen Dauerregen um. Für uns in die gute Stube im sicheren Tal gerettet hat sich Paula Rosa Leu.