Das Sarajevo Filmfestival ist das grösste Filmfestival in Südosteuropa. Dies allein ist bemerkenswert. Denn entstanden ist das Festival mitten im Bosnienkrieg, während der jahrelangen Belagerung Sarajevos. Aufgrund dieser Geschichte will das Festival mehr sein als ein reines Filmfestival.
Selbst von den grausamen Folgen von Krieg und Nationalismus betroffen, hat sich das Filmfestival neben einer kulturellen auch eine aufklärerische und politische Mission gesetzt. Es versteht sich als Ort des Austausches, als Ort, der den Dialog über Landesgrenzen hinweg in der gesamten Region fördert. Gerade jetzt, wo weltweit die Spannungen wieder zunehmen und auch auf dem Balkan die Rhetorik aggressiver wird, ist dieser Ansatz so aktuell wie lange nicht. Davon ist der Festivaldirektor Jovan Marjanovic überzeugt.
Doch nicht nur am Filmfestival, in ganz Bosnien Herzegowina sind die Folgen des Krieges weiterhin überall spürbar. Das Land ist weiterhin gespalten zwischen den einzelnen Volksgruppen. Bosnien ist geografisch und politisch aufgeteilt zwischen muslimischen Bosniaken, katholischen Kroaten und orthodoxen Serben. Die meisten Parteien sind ethnisch definiert und verstehen sich als Verteidiger ihrer jeweiligen Volksgruppen. Dabei haben sich die Politiker aller Seiten längst ein Klientelsystem aufgebaut, das einzig ihrem Machterhalt dient. Die Situation scheint zerfahren. Viele verlassen daher das Land und suchen ihr Glück anderswo.
Das Filmfestival gab den Bewohnerinnen und Bewohner Sarajevos in den dunkelsten Stunden der Stadtgeschichte Halt. Und es bietet noch immer jenen Hoffnung, die auf Dialog und Verständigung setzen. Es nimmt damit eine Gegenposition ein in einer Region, in welcher der Nationalismus zuletzt in vielen Ländern wieder stärker wurde.

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«International» befasst sich wöchentlich mit internationaler Politik und Gesellschaft. Seit 1978 am Radio und von Anbeginn auch online. Reportagen, Analysen und Geschichten zur internationalen Aktualität, meist erzählt von Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen von Radio SRF.
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Folge vom 07.09.2024Dem Krieg trotzen: Das Sarajevo Filmfestival als Spiegel Bosniens
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Folge vom 31.08.2024Mongolei – im Würgegriff von Russland und China?Die Mongolei ist eingezwängt zwischen China und Russland und wirtschaftlich abhängig von den beiden autoritären Nachbarn. Doch die junge Demokratie will sich emanzipieren. Sie sucht nach neuen «Nachbarn» und hofft sogar auf spirituelle Kräfte. Die chinesische Führung sah rot, als 2016 im wichtigsten buddhistischen Kloster der Mongolei Babys zu krabbeln begannen. Es ging bei dem Ritual darum, den höchsten buddhistischen Würdenträger für die Mongolei zu finden - einen spirituellen Führer, der sich der Kontrolle Chinas entzieht. Als der religiöse Würdenträger gefunden war und der Dalai Lama dafür anreiste, belegte China den Nachbarstaat kurzerhand mit Wirtschaftssanktionen. Bis heute greift die asiatische Grossmacht zum Mittel der Erpressung und öffnet oder schliesst die Grenzen zur Mongolei je nach Grad der Verstimmung. Doch abhängig ist die Mongolei auch von Russland, dem zweiten Nachbarn. Wenn Russland die Energieversorgung drosselt, gehen in der Mongolei die Lichter aus. Aber die junge Demokratie möchte sich aus den Zwängen ihrer geographischen Lage befreien – sie hält Ausschau nach politischen und wirtschaftlichen Partnern anderswo in der Welt. Wie weit sie damit kommt – dazu die Reportage aus Ulaanbaatar.
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Folge vom 24.08.2024Irak baut an der Schnellstrasse zum AufschwungNach Jahrzehnten mit Kriegen und Zerstörung, glauben im Irak heute viele Menschen an eine bessere Zukunft. Ihre Hoffnungen liegen auch auf einem riesigen Bauprojekt. Der Plan ist ehrgeizig: Eine internationale Verbindungsstrasse soll künftig vom persischen Golf mitten durch den Irak bis in die Türkei und nach Europa führen. Eine Strasse, die einerseits Teil der neuen chinesischen Seidenstrasse sein soll, andererseits aber auch den Handel im Land selbst ankurbeln soll. «Mit der neuen Entwicklungsstrasse ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die irakische Wirtschaft wieder als heller Stern in der Region erstrahlen kann», sagt Rawan Al-Zaidi, eine junge Unternehmerin aus Bagdad. Viele im Land teilen ihren Optimismus. Doch damit es so weit kommt, reicht es nicht, eine grosse Strasse zu bauen. Das Land muss weitere Herausforderungen bewältigen: Die grassierende Korruption bekämpfen. Oder auch sich mit der kurdischen Bevölkerung im Norden des Landes versöhnen. Irak und die Hoffnung auf den Aufschwung: Eine Reportage quer durchs Land.
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Folge vom 17.08.2024Bis nichts mehr zu holen ist: Betrugsfabriken in SüdostasienEine Online-Bekanntschaft, schöne Gefühle. Und am Ende: kein Geld mehr. Weltweit werden Menschen von Betrügern um ihr ganzes Geld gebracht. Diese agieren zum Beispiel aus Südostasien, wo in den letzten Jahren diverse sogenannte Betrugsfabriken entstanden sind. Und wo Täter manchmal auch Opfer sind. Die Bezeichnung klingt martialisch: «Schweine schlachten». Im Betrügerjargon heisst das nichts anderes als: jemanden derart ausnehmen, ja ausweiden, bis kein Geld mehr zu holen ist. Das geschieht zum Beispiel über gefälschte Profile auf Dating-Plattformen, durch vorgetäuschte Interessen und Gefühle. Mit Hilfe perfider Techniken. Die Betrüger brauchen dazu nicht viel: in erster Linie Strom und Internet. Und ein Umfeld, das nicht so genau hinschaut, zum Beispiel in Staaten mit schwachen Institutionen und einem ausreichenden Mass an Korruption. Staaten wie Kambodscha, Laos oder auch Myanmar. In diesen Ländern sind in den letzten Jahren Industriegebiete und sogar Sonderwirtschaftszonen entstanden, die unter der Kontrolle zwielichtiger Gestalten aus China stehen. Von dort aus – aus gut ausgerüsteten Gebäudekomplexen – werden Menschen aus aller Welt belogen und betrogen. Einige Betrüger verrichten ihre Arbeit freiwillig. Andere werden jedoch dazu gezwungen und sind selbst Opfer der Betrugsindustrie.