
Hörspiel
VOM GEBRAUCH DES MENSCHEN von Aleksandar Tišma
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war Novi Sad, eine Stadt im nördlichen Teil Serbiens, vielen staatlichen Veränderungen unterworfen. In den 1930er Jahren lebten hier Juden, Serben, Ungarn und Deutsche in friedlicher Koexistenz.
Die drei jungen Menschen Vera, Milenko und Sredoje treffen beim privaten Deutschunterricht aufeinander, bei dem sie mehr durch elterlichen Druck als aus eigenem Antrieb anwesend sind, um die anspruchsvolle Sprache zu erlernen. Vera und Milenko entwickeln rasch eine Beziehung, wobei der wissbegierige Milenko eher an der Bibliothek von Veras Vater als an seiner charmanten Freundin interessiert ist. Der abenteuerlustige Sredoje hingegen zieht körperliche Freuden vor und wirft gelegentlich ein Auge auf Vera, die aber in einer eigenen Liga spielt. So heiter und leicht beginnt die Erzählung, doch spürt man bereits den Schatten der bevorstehenden Tragödie.
Veras jüdischer Vater hofft noch auf Rettung, während Vera längst erkennt, dass diese keine Realität werden wird. Die Familie wird nach Auschwitz verschleppt, wo Vera zur Zwangsprostituierten wird, aber überlebt. Nach ihrer Rückkehr nach Novi Sad kämpft sie mit ihrem neuen Leben, unfähig, die Vergangenheit zu vergessen. Dort trifft sie auf Sredoje, der als Partisan gedient hat und ebenfalls in der neuen Ordnung keinen Platz findet. Ein eindrucksvoller Erzählbogen, der das Schicksal mehrerer Leben umfasst, die, wenn auch nicht weit entfernt, unendlich fern erscheinen und doch Teil unserer Geschichte sind. Dieses bemerkenswerte Hörspiel erinnert daran.
Über drei Teile hinweg, von den 1930er bis in die 1950er Jahre, erzählt die Geschichte von jugendlichen Hauptfiguren, wobei der zweite Teil Vera stärker in den Mittelpunkt rückt und der dritte Teil ihre Heimkehr und das Unverständnis derer schildert, die vergessen können, was ihr unmöglich ist zu übersehen.
Die Adaption eines Romans stellt immer eine Herausforderung dar: wie die Ausdruckskraft und den Umfang gerecht umsetzen? Stefan Kanis' Hörspiel bewältigt dies mit intelligenten Ansätzen, die die Zuhörer fordern. Die dramatische Entwicklung steigert sich geschickt. Bereits im ersten Teil zeichnen sich Konflikte ab, im zweiten erhöht sich die Spannung trotz vergeblicher Rettungshoffnungen. Der bedrückende dritte Teil ist der intensivste, da er das Unglück nach dem Unglück darstellt, sprachlich eng an Aleksandar Tišmas Werk und seiner brillanten Übersetzung orientiert, wird der Stil respektvoll gewürdigt. Regisseur Stefan Kanis balanciert elegant zwischen Drama und Erzählung, was fortwährend auf die literarische Stärke des Romans verweist.
Die Erzählung wechselt zwischen Bericht, Erzählung und Dialog und schafft so eine gewisse Distanz, vermeidet zu viel Gefühlstiefe, verstärkt aber die Wirkung des Gesagten. Der Raum, den das Stück lässt, erlaubt es uns, Lücken durch unsere Vorstellungskraft zu füllen. Veras Erlebnisse in Auschwitz werden nur angedeutet, doch ihre Unfähigkeit, im Frieden anzukommen, spricht Bände. In ihrem Inneren herrscht weiter Krieg, was sie mit dem ebenfalls gezeichneten Sredoje verbindet. In ihrer verletzten Gemeinschaft schimmert, wenn auch kaum sichtbar, Hoffnung – mehr von uns erahnt als tatsächlich vorhanden. Denn die Schöpfer dieser Aufführung scheuen sich nicht vor der Wahrheit; sie wollen, können nichts beschönigen. Was für eine durchdachte und faszinierende Adaption! Ein intensives, forderndes Stück.
"VOM GEBRAUCH DES MENSCHEN von Aleksandar Tišma" im Überblick
VOM GEBRAUCH DES MENSCHEN von Aleksandar Tišma
von Aleksandar Tišma
Mit Jördis Trauer, Oscar Hoppe, Birte Schnöink, Werner Wölbern, Franz Hartwig, André Kaczmarcyk, Alexander Khuon, Max Hegewald
Produktion: 2025
| Sendezeit | Sa, 01.11.2025 | 20:05 - 22:00 Uhr |
| Sendung | Deutschlandfunk "Hörspiel" |