NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 25.03.2023Bei den armen Fräuleins von LichterfeldeDie immer schneller galoppierende Inflation des Jahres 1923, man kann es sich denken, fraß unersättlich nicht nur alle kleinen und mittleren Privatvermögen auf, sondern zehrte unbarmherzig auch das Kapital gemeinnütziger Stiftungen auf. Das sogenannte Rother-Stift – benannt nach einem gleichnamigen Minister unter König Friedrich Wilhelm III. – beherbergte seit 1840 unverheiratete Töchter preußischer Offiziere und Beamter und ermöglichte seinen Bewohnerinnen mittels einer kleinen Leibrente, auch ohne den damals üblichen ‘Ernährer‘, ein halbwegs sorgenfreies Leben. Damit war es nun vorbei, denn der kärgliche Zins, den das Stiftungskapital abwarf, reichte mittlerweile kaum mehr für eine Tasse Kaffee. Und zunehmend auch nicht mehr dafür, erfahren wir im Berliner Lokal-Anzeiger vom 25. März 1923, die Anlage im noblen Ortsteil Lichterfelde notdürftig in Schuss zu halten. Ein Bild von unerwarteter Armut hinter bürgerlicher Fassade macht sich für uns Paula Leu.
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Folge vom 24.03.2023Hitler will nach Preußen marschierenVor zwei Tagen war an dieser Stelle von den Verhaftungen rund um den Freikorpsführer und Begründer Völkischer Parteien Gerhard Roßbach die Rede. Die Deutschvölkische Freiheitspartei, zu der er sich bekannte, wurde umgehend verboten und es liefen Ermittlungsverfahren gegen die Abgeordneten dieser Partei. Darauf reagierten führende Nationalsozialisten in München mit lautem Gepolter und Aggressionen, da ja die DVFP die nördlich von Bayern verbotene NSDAP „mit-repräsentierte“. Diese Drohungen wurden offensichtlich vom Innenminister Preußens sehr ernst genommen, weshalb er die Schutzpolizei in Alarmbereitschaft versetzen ließ, um einen Marsch Hitlers nach Preußen aufzuhalten, wie wir aus dem 8-Uhr-Abendblatt vom 24. März 1923 erfahren. War Adolf Hitler spätestens seit dem Triumph der italienischen Faschisten zu einer festen Größe der politischen Landschaft geworden, was sich in der Aufmerksamkeit seitens der Zeitungen niederschlägt – und damit auch in unserem Podcast –, so galt es offenkundig noch für die Berliner Presse über die Biographie Hitlers Auskunft zu geben, weshalb der heutige Artikel auch Informationen zu Hitlers Zeit vor seiner politischen Tätigkeit innerhalb der NSDAP versammelt. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 23.03.2023Wie der Fußgänger das deutsche Automobil behindertWas dem Amerikaner das bedingungslose Recht auf seine Knarre, das ist dem Deutschen bekanntermaßen die Phobie vor jeder Art von Geschwindigkeitsbegrenzung im Automobilverkehr. Und das, entnehmen wir der B.Z. am Mittag, galt in Ansätzen auch schon vor einhundert Jahren. Druckt jene in ihrer Ausgabe vom 23. März 1923 doch einen ihr vermeintlich als Leserzuschrift eingegangen Text ab, der energisch auf dem Vorrecht des motorisierten Individualverkehrs auf dem Fahrdamm pocht und den größten Feind der Straßenverkehrsordnung klar ausgemacht hat: den Fußgänger. Angeblich soll es bis in die bundesdeutsche Gegenwart Bundesverkehrsminister gegeben haben, die das ähnlich sehen. In der Rolle des notorisch empörten Autobesitzers: Paula Leu.
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Folge vom 22.03.2023Das Komplott der DeutschvölkischenDie bekanntlich in Bayern entstandene NSDAP war in Norddeutschland vielerorts verboten, so auch in Preußen seit dem 11. November 1922. In der Folge bemühten sich völkische Kreise, einen norddeutschen Arm der Partei zu begründen, unter anderem Namen und offiziell von München unabhängig. Darin tat sich besonders der Freikorpsführer Gerhard Roßbach hervor, der zunächst die Großdeutsche Arbeiterpartei gründete, deren Parteiprogramm von der NASDAP zu weiten Teilen abgeschrieben war und die auch die Hakenkreuzarmbinden führte. Nachdem diese Partei als Tarnorganisation enttarnt worden und ebenfalls verboten war, wanderten Roßbach und die anderen Mitbegründer zur im Dezember 1922 als Abspaltung der DNVP entstandenen Deutschvölkischen Freiheitspartei über, die im März 1923 insgeheim mit der NSDAP eine Gebietsaufteilung absprach, die sie auch zu einer NSDAP Nord- und Mitteldeutschlands machte. Roßbach, der wegen der Organisation von militärischen Banden immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, wurde am 17. März 1923 verhaftet. Ihm wurden Putschpläne und die Planung von Gewaltakten im Ruhrgebiet angelastet. Damit gerieten die Deutschvölkische Freiheitspartei und ihre Reichstagsabgeordneten ins Visier. Auch diese Partei wurde anschließend vom Preußischen Innenminister Carl Severing verboten - doch davon in zwei Tagen mehr. Den Bericht über die Verhaftung Roßbachs aus dem 8Uhr-Abendblatt vom 22. März liest für uns Frank Riede.