
NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
-
Folge vom 20.01.2023Ängstliche Eindrücke bei einem BoxmatchDie Faszination der 1920er Jahre für den Boxsport ist Legion. Angezogen fühlten sich nicht nur die breiten Massen; auch zahlreiche namhafte Autoren von Bertolt Brecht bis Ernest Hemingway haben die Nähe zum Ring gesucht und das archaische Mann-gegen-Mann der Faustkämpfer literarisch verherrlicht. Unser heutiger Artikel aus der Berliner Morgenpost vom 20. Januar 1923 nimmt sich vor diesem Hintergrund eher ein wenig ungewöhnlich aus, denn sein Autor Ludwig Hirschfeld ist der Begeisterung für das Boxen nicht erlegen. Allzu rohe Körperlichkeit, daraus macht er keinen Hehl, ist seine Sache nicht. Seine Waffe ist, auch wenn er von einem Boxkampf berichtet, die feine Ironie. Hirschfeld zählt zu den großen Wiener Feuilletonisten der Zwischenkriegszeit. Er wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und dort mit seiner gesamten Familie ermordet. Den Text, der an einer Stelle heute nicht mehr übliches, da als rassistisch empfundenes Vokabular enthält, liest Paula Leu.
-
Folge vom 19.01.2023Zum Tode des Hertie-Gründers Oskar TietzDie Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH war bis zur Übernahme durch Karstadt 1994 einer der führenden Konzerne in diesem Bereich in Deutschland. Ihr Name geht auf den des in Berlin auch heute noch geläufigen Posener Kaufmanns Hermann Tietz zurück, der mit seinem Kapital bei der Niederlassung des ersten gleichnamigen Warenhauses 1882 in Gera Pate stand. Als dessen eigentlicher Gründer und damit auch als Erfinder der Marke hat jedoch Hermanns Neffe Oskar Tietz zu gelten. Nach Filialbildungen in Weimar, Bamberg, München und Hamburg expandierte Hertie im Jahr 1900 schließlich auch in die Reichshauptstadt, wo man gemeinsam mit dem Hauptkonkurrenten Wertheim in der Folgezeit die Idee des Warenhauses als Konsumtempel zumindest in Hinblick auf Deutschland neuerfand. Oskar Tietz, der sich daneben auch einen Ruf als großer Philanthrop erwarb, starb am 17. Januar 1923 während eines Erholungsaufenthaltes in der Schweiz. Den Nachruf der Vossischen Zeitung vom 19. Januar liest für uns Paula Leu.
-
Folge vom 18.01.2023Theater in der Unterwelt - Die Futuristin Růžena Zátková in RomEine coole steinerne Party-Location weit unter der Erde, in der seltsamen Bilder und noch seltsamere Alltagsobjekte ausgestellt sind und in der von Zeit zu Zeit schräge Performances zur Aufführung gebracht werden – das klingt nach irgendeiner hippen Geschichte aus dem Nachwende-Berlin der 1990er Jahre. Ist es in diesem Fall aber nicht. Die Beschreibung findet sich vielmehr bereits im Berliner Tageblatt vom 18. Januar 1923 und der Ort, den Italien-Korrespondent Hans Barth hier aufgesucht hat, liegt auch nicht an der Spree, sondern in einem Gewölbe unweit des Tiber, mitten in der italienischen Hauptstadt, in der zwar mittlerweile die Faschisten regierten, des Nachts aber auch weiterhin futuristische Happenings Einheimische wie Zugereiste in ihren Bann zogen. Zeremonienmeister war im konkreten Fall einmal nicht der mit Mussolini gerade zwischenzeitlich überworfene Filippo Tommaso Marinetti, sondern der Photograph und Regisseur Anton Giulio Bragaglia, der in seiner nach ihm benannten Casa d’arte Bragaglia gerade eine Ausstellung der tschechischen Malerin und Bildhauerin Růžena Zátková kuratierte. Wer mehr über diese spannende Künstlerin erfahren und das Gemälde, das das Berliner Tageblatt beschreibt, sehen möchte, schaue doch auch einmal auf unserem Instagramkanal vorbei. Aber erstmal liest: Frank Riede.
-
Folge vom 17.01.2023Winter in der ProvenceTageszeitung – das ist immer auch die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Während sich vorne auf den Berliner Blättern Anfang 1923 alles um die Ruhrbesetzung drehte und im Zuge dessen auch in der republikanischen Presse ganz erhebliche anti-französische Empörung hochkochte, flüchtete sich das Berliner Tageblatt auf den hinteren Seiten seiner Auslandsausgabe vom 17. Januar 1923 aus den unwirtlichen heimatlichen Gefilden in den sonnigeren Süden und landete mit seinem Reisebericht, ausgerechnet, in der Provence. Die Autorin mit dem Namen von Hayneck erfreut sich dort an den landschaftlichen Schönheiten von Rhonetal und Côte d’Azur und auch an manchen landestypisch kulinarischen Genüssen. Das prekäre deutsch-französische Verhältnis bleibt allerdings auch dort ihr steter Reisebegleiter. Es liest Frank Riede.