Vor vier Jahren ist der weltgereiste Autor Matthias Politycki ("Weiberroman", "Samarkand Samarkand", "Das kann uns keiner nehmen") aus seiner, wie er sie selbst nennt, "linksgrünen Blase" in Hamburg nach Wien gezogen. Er fühlte sich im Schreiben und Debattieren zunehmend eingeschränkt durch political correctness, wokeness und cancel culture. Nun veröffentlicht er den zu jener Zeit entstandenen Essay "Mann gegen Mann" und schreibt darin "von alten und neuen Tugenden". Wohlgemerkt männlichen Tugenden: wehrhafte, verteidigungsbereite Männer brauche das Land. "Oder besser: Menschen mit alten, traditionell den Männern zugeschriebenen Tugenden braucht das Land, welchen Geschlechts auch immer."
Während Alphamännchen à la Trump und Putin ihr Testosteron auf der Weltbühne verströmten, marodierten gleichzeitig maskulinistische Machos durch unsere Straßen. Beidem müsse man sich in den Weg stellen. Und zwar mannhaft.
Im Gespräch mit Jürgen Deppe sagt Matthias Politycki, dass Jahrtausende alte Geschlechtertraditionen noch immer in unseren Genen steckten, dass sich traditionelle und neue Männerbilder ergänzen müssten und dass ein Mann einem andern besser eine Hand auf die Schulter lege als ihm mit der Faust zu drohen.

Kultur & GesellschaftTalk
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Bei "Das Gespräch" kommen Menschen zu Wort, die Stellung beziehen und Positionen vertreten: kulturell oder gesellschaftlich, kenntnisreich, vielfältig und nicht selten provokant. Mal sind sie prominent und in aller Munde, mal ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet. Gemein ist ihnen allen, dass sie Inspirierendes zu sagen haben zu den Themen unserer Zeit - und oft auch sehr Persönliches. Wir stellen drängende Fragen und rollen nicht einfach den roten Teppich aus.
Folgen von NDR Kultur - Das Gespräch
30 Folgen
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Folge vom 09.03.2025Matthias Politycki: "Da draußen müssen wir die Antwort als Mann geben"
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Folge vom 02.03.2025"Die Frau als Mensch" - die Comic-Künstlerin Ulli Lust im GesprächDie Comic-Künstlerin Ulli Lust ist eine der renommiertesten Vertreterinnen ihres Fachs. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit dem Bild der Frau in der Gesellschaft. Jetzt hat sie mit dem Buch "Die Frau als Mensch" die oft falschen Annahmen über die steinzeitliche Lebensweise unter die Lupe genommen. In ihren Recherchen fand sie bestätigt, was viele vielleicht bereits geahnt hatten: die Frau, und nicht der Mann, stand im Zentrum dieser längst vergangenen Kultur, nicht Egoismen und das Recht des Stärkeren haben uns so lange und erfolgreich als Spezies überleben lassen, sondern die Fähigkeit zur Kooperation. Im Gespräch mit Martina Kothe spricht Ulli Lust über ihre Arbeit, die Herausforderung einen Sach-Comic zu gestalten und die Bedeutsamkeit der Farbe Rot-Ocker.
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Folge vom 23.02.2025Historiker Achim Landwehr: "Der Planet schlägt gnadenlos zurück."„Wir leben in der bisher besten aller bekannten Welten“, stellt der renommierte Historiker von der Uni Konstanz in Bezug auf den industrialisierten Teil der Welt fest: ökonomisch, sozial, medizinisch. Doch der unabwendbare Klimawandel verändere alles und mache – so Landwehr – unseren Planeten selbst zum historischen Akteur: „Die Menschheit sieht sich zum ersten Mal in einer Situation, in der sie die Konsequenzen ihres eigenen Handelns nicht mehr selbst in der Hand hat.“ Der Mensch habe die Krise selbst herbeigeführt, sei nun aber nicht mehr in der Lage sie zu lösen, so Landwehr: „Diese Veränderungen und der Klimawandel, inklusive Konsequenzen, werden nicht weggehen. Und zwar für sehr lange Zeit nicht weggehen. Das heißt eben auch, dass die Unsicherheiten und Unwägbarkeiten nicht weniger werden.“ Im Gespräch mit Verena Gonsch stellt Achim Landwehr klar, dass es einfache Antworten auf die Herausforderungen nicht geben kann. Weder Panikmache noch Ignoranz würden helfen: „Ein dritter Weg müsste darin bestehen, Unsicherheit zu einem integralen Bestandteil zu machen.“
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Folge vom 16.02.2025Erfunden oder irgendwo gelesen? Franzobel im GesprächEr habe manchmal das Gefühl, dass er „ein bissl eine prophetische Eigenschaft habe“ und deshalb vor sich selbst „eigentlich Angst“. Ob bei seinem Krimi „Rechtswalzer“ oder dem Historienroman „Die Entdeckung Amerikas“, oft habe sich bei Erscheinen des Buches seine Phantasie plötzlich gespenstisch in der Wirklichkeit gespiegelt. So auch jetzt. In Franzobels „Hundert Wörter für Schnee“ geht es unter anderem um den amerikanischen Ingenieur und Forscher Robert Peary. Der plante Ende des 19. Jahrhunderts zunächst den Vorläufer des heutigen Panama-Kanals und verhielt sich später beim Streben zum Pol in Grönland wie ein Kolonialherr. America first? „Am Ende weiß ich gar nicht mehr genau, habe ich das erfunden oder habe ich das irgendwo gelesen. Ist das Fakt oder ist das einfach meine Phantasie?“ Auf über 500 Seiten entfaltet Franzobel in „Hundert Wörter für Schnee“ jetzt Robert Pearys jahrelanges, rücksichtsloses Streben zum Nordpol und das Schicksal des von ihm zusammen mit fünf weiteren Inuit in die USA verschleppten Minik. Ihn habe, sagt Franzobel im Gespräch mit Jürgen Deppe, dessen „Zerrissenheit interessiert, diese Problematik der Migration, des Heimatlosen.“ Mit Ironie und teils groteskem Sprachwitz erzählt Franzobel eine reale Antihelden-Saga, die heute ganz ähnlich stattfinden könnte.