„Ich bin kein besonders guter Zuhörer“, bekennt Bernhard Pörksen. „Ich höre viel zu oft nur mich selbst. Gefangen im eigenen Ego, den eigenen Urteilen oder auch Vorurteilen.“ Deutschlands prominentester Medienwissenschaftler sagt das nicht etwa aus Eitelkeit, sondern meint, er sei da „wie viele andere Menschen.“ Der Tübinger Medienprofessor, der derzeit Fellow am New Institute in Hamburg ist, stellt im Gespräch mit Katja Weise die Zuhör-Defizite nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Bereich fest. Angesichts der zahlreichen Krisen weltweit funktioniere im allgemeinen Rauschen das Zuhören nicht mehr: „Die Bequemlichkeit, die Verdrängungssehnsucht werden größer. Die Menschen werden nachrichtenmüde, klinken sich aus, flüchten sich in den eigenen heiliggesprochenen Seelengarten.“ In seinem Buch „Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen“ (Hanser Verlag) beschreibt Bernhard Pörksen, dass der Nachrichten-Überdruss auch mit den Veränderungen in der Medienlandschaft zu tun habe: „War es früher schwer zu senden, ist es heute schwer Gehör zu finden.“ Dieser Mechanismus von Senden und Empfangen werde jetzt gesteuert von „Zuckerberg, Musk und Co.“, sei also, so Pörksen, maximal profitorientiert. Im Gegenzug fordert der Medienwissenschaftler: „Man muss das Zögern lernen. Man muss dem Flüstern, dem Murmeln hinterherhören.“

Kultur & GesellschaftTalk
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Bei "Das Gespräch" kommen Menschen zu Wort, die Stellung beziehen und Positionen vertreten: kulturell oder gesellschaftlich, kenntnisreich, vielfältig und nicht selten provokant. Mal sind sie prominent und in aller Munde, mal ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet. Gemein ist ihnen allen, dass sie Inspirierendes zu sagen haben zu den Themen unserer Zeit - und oft auch sehr Persönliches. Wir stellen drängende Fragen und rollen nicht einfach den roten Teppich aus.
Folgen von NDR Kultur - Das Gespräch
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Folge vom 02.02.2025Die Kunst des Zuhörens - Gespräch mit Bernhard Pörksen
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Folge vom 26.01.2025Auschwitz hat Auswirkungen bis heute - Gespräch mit Elke Gryglewski„Das Leid ist gewissermaßen tradiert worden.“ Ob als Trauma von Opfern wie Tätern bis in die 4. Generation oder als antisemitisches wie rassistisches Gedankengut – das Grauen in deutschen Konzentrationslagern hat bis heute tiefe Spuren hinterlassen. Diesen Schluss zieht Elke Gryglewski, Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, aus ihrer täglichen Arbeit. Sie ist unter anderem Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen und hält als solche für ihre Erinnerungsarbeit Kontakt mit den letzten Zeitzeugen: „Wir wissen, dass die seltene Möglichkeit mit Überlebenden zu sprechen von sehr, sehr hohem Wert ist.“ Da die Zeitzeugen altersbedingt aber immer weniger werden, übernähmen nach Ansicht Gryglewskis authentische Gedenkstätten die Aufgabe der Erinnerungsarbeit. „Wir merken es an unserem Publikum, dass es wichtig ist dort zu sein, wo es geschehen ist. Was immer dieses ‚wo-es-geschehen-ist‘ auch bedeutet.“ Im Gespräch mit Jürgen Deppe betont Elke Gryglewski, dass vor dem Gedenken aber das Schließen von Bildungslücken stehe – bei jüngeren wie bei älteren Menschen, zumal sich die Diversität von Antisemitismus in der Vergangenheit erweitert habe: Er komme von rechts wie von links, aber auch aus muslimischen Communities. „Diese Phänomene müssen wir sehr ernst nehmen.“
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Folge vom 19.01.2025Vom Antlitz zum Cyberface - Gespräch mit Andrea KöhlerFür den Philosophen und Physiker Georg Christoph Lichtenberg war das Gesicht „die unterhaltsamste Fläche der Welt“. Ähnlich sieht es die Literaturkritikerin Andrea Köhler und hat deshalb jetzt im zu Klampen Verlag den kulturhistorischen Essay „Vom Antlitz zum Cyberface – Das Gesicht im Zeitalter seiner technischen Manipulierbarkeit“ veröffentlicht. „Wenn wir jemandem ins Gesicht schauen, findet automatisch ein Feuerwerk an neuronalen Prozessen statt,“ erklärt Andrea Köhler. Wir ordnen ein, analysieren, kategorisieren. Doch das Gesicht lässt sich verändern, schmücken, verschleiern und wird mit digitalen und chirurgischen Möglichkeiten immer wandel- und manipulierbarer. Andrea Köhler zeigt in ihrem Essay, wie das Gesicht in Kunst und Kultur über die Jahrhunderte dargestellt wurde, spricht mit Andrea Schwyzer über das Stigma des alternden Gesichts und die Gefahren für unsere Demokratie und Empathiefähigkeit, wenn Gesichter verzerrt oder anonymisiert werden.
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Folge vom 12.01.2025"Ich lasse es drauf ankommen" - Autor Wolf Haas im Gespräch über sein neues BuchAls Wolf Haas vor Jahren angefangen hat, an "Wackelkontakt" zu schreiben, ist er "von vornherein davon ausgegangen, es wird nicht funktionieren". Viel zu verschlungen schien ihm die Geschichte über den Puzzle-süchtigen Trauerredner Franz Escher, der ein Buch über den Mafia-Killer Elio Russo liest. Denn Elio Russo liest ein Buch über den Trauerredner Franz Escher, der ein Buch über Elio Russo liest … Und so weiter. Die Geschichten befeuern sich gegenseitig, heizen sich auf und werden schließlich zu einer. Einer hochkomischen! Beim Schreiben dieses Buches, gesteht Wolf Haas im Gespräch mit Jürgen Deppe, habe er sich schon manchmal "Sorgen um meine geistige Gesundheit" gemacht. "Aber es war so unterhaltsam, dass ich mir dachte, ich lass es drauf ankommen." Im Gespräch erzählt der Bestsellerautor von seinem Umgang mit dem Erfolg und seinen Zweifeln beim Schreiben, von seinen allmorgendlichen Versuchen, nicht Wolf Haas zu sein, und von seiner Skepsis gegenüber vermeintlicher Authentizität. Er sei, sagt Wolf Haas, Unterhaltungsschriftsteller: "Ich habe da einen sehr einfachen Anspruch. Ich möchte, dass es mich unterhält, wenn ich es schreibe. Ich möchte, dass es die Leute unterhalt, wenn sie es lesen. Unterhaltung kann ja auf verschiedenen Ebenen stattfinden."