Orte und Worte ist diesmal etwas weiter gefahren - und zwar nach Ljubljana - und das hat mehrere Gründe. Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist in diesem Jahr nämlich Slowenien - und in Ljubljana lebt einer der wichtigsten Autoren des Zwei-Millionen-Landes: Drago Jančar. Der Espresso in der „Kavarna Union“ war hervorragend - der 75-Jährige hat sich Zeit genommen für ein Gespräch im Jugendstil-Ambiente. Früher war das Jugendstil-Café ein etwas abgehalfteter Ort, wo sich die Bohème traf, Prostituierte nach Kunden suchten, heute ist das Kaffeehaus ein Touristen-Hotspot. Drago Jančar erzählte von der politischen Spaltung des Landes und deren Wurzeln im Zweiten Weltkrieg, warum sein kurzer Gefängnisaufenthalt 1974 Inspirationsquelle war und warum er nicht glaubt, dass der Auftritt Sloweniens in Frankfurt der slowenischen Literatur einen nennenswerten Schub geben wird und warum Literaturkritikerinnen ihn jetzt lieber mögen.
Der Autor:
Drago Jančar ist 1948 in Maribor geboren, hat Jura studiert und als Journalist gearbeitet. Der Slowene stammt aus einer Familie mit Partisanentradition. Sein Vater gehörte dem kommunistischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer an, litt im Konzentrationslager. Fast wäre Drago Jančar in der ersten Nachwende-Regierung Kulturminister geworden - er hat sich anders entschieden - und ist darüber froh („Sonst wären all diese Bücher vielleicht nicht entstanden“). Einige Jahre war Drago Jančar PEN-Präsident seines Landes. Er hat viele Preise gewonnen, er gilt als einer der wichtigsten Autoren Sloweniens.
Das Buch:
Drago Jančar: "Als die Welt entstand". Zsolnay Verlag. 272 Seiten. 26,00 Euro.
Drago Jančar empfiehlt
Edvard Kocbek: "Literatur und Engagement". Kitab. antiquarisch.
Nadine empfiehlt
Damir Ovčina: "Zwei Jahre Nacht". Rowohlt, 752 Seiten, Taschenbuch 14,00 Euro.

Kultur & Gesellschaft
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Der Bücherpodcast vom rbb. Ein Buch, ein Ort, eine Begegnung: Wir sprechen mit Autorinnen und Autoren über ganz persönliche Themen, ihre aktuellen Bücher, das Schreiben und die kreative Arbeit. Unsere Hosts Nadine Kreuzahler, Anne-Dore Krohn und Stephan Ozsváth verabreden sich an Orten, die wichtig sind als Schauplatz oder zur Inspiration, mit dem Schwerpunkt in Berlin und Brandenburg. Alle Tipps, Empfehlungen und Orte findet Ihr in den Beschreibungen und Shownotes der Podcast Folgen.
Folgen von Orte und Worte
99 Folgen
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Folge vom 12.10.2023Mit Drago Jančar im Kaffeehaus in Ljubljana
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Folge vom 05.10.2023Zwischen Gräbern und Parkbänken - Mit Bov Bjerg im FriedhofsparkOrte und Worte ist diesmal auf einem Friedhof – einem ehemaligen Friedhof in Berlin Prenzlauer Berg. Der Friedhofspark Pappelallee mit seinen alten Gräbern ist heute Denkmal, Erholungsort für Großstädter und Spielplatz für Kinder. Nadine hat sich hier mit Bov Bjerg über seinen neuen Roman "Der Vorweiner" unterhalten, eine Satire und ein Zukunftsroman. Beerdigungen sind zu hybriden Zerstreuungsfeiern geworden, die Trauer ist outgesourced und Kriege und Naturkatastrophen haben die Erde verwüstet. Bov erzählt, wie er auf dieses Szenario gekommen ist und warum er sich entschieden hat, ein ganz anderes Buch als seine Bestseller "Auerhaus" und "Serpentinen" zu schreiben. Die beiden entdecken alte Gräber, sprechen über Tod und Groteske und denken auch darüber nach, wie sie selbst einmal bestattet werden wollen. Der Autor: Bov Bjerg ist Schriftsteller und Kabarettist. 1965 wurde er in Württemberg geboren, seit 1984 lebt er in Berlin. In den 90er Jahren gründete er hier verschiedene Lesebühnen, seit 1997 steht er beim "Kabarettistischen Jahresrückblick" mit Horst Evers, Manfred Maurenbrecher u.a. auf der Bühne. Sein zweiter Roman "Auerhaus" (2015) wurde zum Überraschungserfolg als Bestseller, Schullektüre, Theaterstoff und Film. "Serpentinen" (2020) war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Sein erster Roman "Dead Line" (2008) wurde 2021 vom Kanon-Verlag – bei dem Bjerg Mitgesellschafter ist – neu aufgelegt. "Der Vorweiner" ist sein vierter Roman. Das Buch: Bov Bjerg: "Der Vorweiner", Claassen, 240 Seiten, 24,00 Euro. Bov empfiehlt Elisa Aseva: "Über Stunden. Posts". Weissbooks. 176 Seiten, 18,00 Euro. Nadine empfiehlt Herta Müller: "Eine Fliege kommt durch einen halben Wald", Reden, Essays, Prosa, Hanser, 128 Seiten.
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Folge vom 28.09.2023Eine Reise in die Zukunft - im Berliner Futurium mit Ilija TrojanowOrte und Worte reist diesmal in die Zukunft. Nadine hat sich mit dem Autor Ilija Trojanow im Futurium verabredet - einem Museum in Berlin, das verschiedene Zukünfte erforscht und ausstellt. Es ist ein passender Ort, um mit Ilija Trojanow über seinen neuen Roman zu sprechen. In "Tausend und ein Morgen" schickt er Zeitreisende von der Zukunft aus zurück in verschiedene Epochen. Sein Buch ist ein Spiel der Möglichkeiten. Im Podcast gehen Ilija und Nadine durch die Ausstellung, lassen Künstliche Intelligenz auf sich wirken und sprechen über Fantasie, Utopie und Kindheitslektüren. Das Buch: Ilija Trojanow: "Tausend und ein Morgen", S. Fischer, 528 Seiten, 30,00 Euro. Der Autor: Ilija Trojanow wurde 1965 in Bulgarien geboren und floh im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland. Ein Jahr später ging die Familie nach Kenia, wo Trojanow – unterbrochen von einem dreijährigen Aufenthalt in Deutschland – aufwuchs. Es folgten ein Jurastudium in München, Verlegertätigkeiten, Reisen durch Afrika, ein Umzug nach Indien, Reportagen, Artikel, Essays, Romane und viele Auszeichnungen. 1996 erschien sein erster Roman: "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" über die Exilerfahrung einer Familie vom Balkan. 2006 bekam er für „Der Weltensammler“ den Preis der Leipziger Buchmesse. 2009 veröffentlichte er gemeinsame mit Juli Zeh den Band "Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte". 2017 erschien "Nach der Flucht", ein Essay, in dem Trojanow auch seine eigene Prägung als lebenslang Geflüchteter reflektiert. "Tausend und ein Morgen" ist sein sechster Roman. Ilja Trojanow empfiehlt: Jose F. A. Oliver: "In jeden Fluss mündet ein Meer", Matthes & Seitz, 124 Seiten, 22,00 Euro. Nadine empfiehlt: "Erich Kästner – Das ist Berlin! Erich Kästner und seine Stadt", herausgegeben von Sylvia List, Atrium Verlag, 96 Seiten, 11,00 Euro. Podcast-Tipp: "Hitze – Letzte Generation Close-up" https://www.ardaudiothek.de/sendung/hitze-letzte-generation-close-up/94732324/
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Folge vom 21.09.2023Füße im Sand: Mit Nele Pollatschek am Weißen SeeManchmal läuft Nele Pollatschek sogar zwei Mal am Tag zum Weißen See in Pankow, obwohl sie 40 Minuten für eine Strecke braucht - das ist ihr erprobtes Gegenprogramm zum Sitzen und Schreiben. Mit "Kleine Probleme" hat sie nun ihr drittes Buch vorgelegt: Ein Mann. Ein Haus. Ein Tag. Eine To-Do-Liste. Ihre liebenswerte und sehr lebensnahe Hauptfigur Lars Messerschmidt versucht, alles zu erledigen, was schon lange liegengeblieben ist: Putzen, die Steuer, ein Bett aufbauen. Mit dem Rauchen aufhören. Und das Lebenswerk, das muss er ja auch noch schreiben. Nele Pollatschek und Anne-Dore Krohn treffen sich am Weißen See und unterhalten sich im Liegestuhl über große und kleine Probleme: Alltagsbewältigung, Langzeitbeziehungen, To-Do-Listen, Marie Kondo und die Frage, wieviel von Neles Seele in ihrer Hauptfigur steckt. Die Autorin: Nele Pollatschek wurde 1988 in Berlin geboren und arbeitet als Redakteurin für die Süddeutsche Zeitung. Ihr Debüt "Die Probleme anderer Leute" erschien 2016, "Dear Oxbridge" über ihre Zeit in Campbridge und Oxford 2020. Das Buch: Nele Pollatschek: "Kleine Probleme", Galiani Verlag, 208 Seiten, 23,00 Euro Nele empfiehlt: KC Davis: "Kopf über Wasser im Alltagschaos. Wie du mit deinem Haushalt und dir selbst Frieden schließt. Das sensationelle Selfcare Aufräum-Buch." Übersetzt von Bettina Lemke. dtv Verlag, 208 Seiten, 12,00 Euro