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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 31.10.2023Der innere Zweifronten-KriegHugo Preuß, 1860 in eine jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, wurde nach seinem Jura-Studium und seiner Habilitation als Staatsrechtler Hochschullehrer, begann aber auch eine politische Karriere als Berliner Stadtrat. 1918 war er Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei und wurde zugleich nach der Novemberrevolution mit einem Entwurf einer Reichsverfassung beauftragt – und tatsächlich stammen weite Teile der Weimarer Verfassung aus seiner Feder. Daher verwundert es nicht, dass er sich in einer Krisenzeit, die die Weimarer Republik zu zerreißen drohte, im Berliner Tageblatt vom 31. Oktober 1923 zu Wort meldete. Der ehemals erste Innenminister der Republik sieht das Land in einem inneren Zweifronten-Krieg zerrieben. Während die politische Mitte nicht genug Kraft zu haben scheint, die Republik zu verteidigen, werde sie von rechts und links angegriffen. Urteilen Sie selbst, ob uns Preuß auch für die heutige Zeit interessante Einblicke bietet. Die Ausgabe kostete 2,5 Milliarden und es liest aus ihr Frank Riede.
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Folge vom 30.10.2023Erste Unterhaltungssendung im RadioHeute können wir nochmal der Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland aus der Sicht des damals unangefochtenen Nachrichten-Mediums, der Zeitung, beiwohnen. Am 29. Oktober 1923 wurde die erste Unterhaltungssendung aus dem Vox-Haus, ein nahe dem Potsdamer Platz gelegenes Bürogebäude, das wegen zu großer Nähe zur Mauer im Jahr 1971 gesprengt wurde, gesendet. Es überrascht wenig, dass die Zeitungen die Übertragung damals nicht als Schlüsselereignis begriffen, konnten sie ja auch nicht ahnen, zu welch einem Konkurrenten sich das Radio rasch auswachsen würde. Der BZ am Mittag vom 30. Oktober war es aber einen durchaus begeisterten Sendebericht wert, in dem diejenigen, die noch keinen Radioempfänger hatten und die 2 Milliarden für die Zeitungsausgabe berappen konnten, erfuhren, was es zu hören gab. Uns informiert über die Auf den Tag genau-Welle Frank Riede.
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Folge vom 29.10.2023Von Austern in Zeiten der HyperinflationAm 29. Oktober 1923 spricht in Deutschland alle Welt über Hyperinflation, Verelendung, Arbeiteraufstände und Putschgerüchte. Nur der Berliner Lokal-Anzeiger, und wir mit bzw. für uns Paula Rosa Leu, sprechen über ... Austern. Allerdings schießt Autor Adolf von Wilke gleich voraus, dass es auch für ihn aktuell beim „über Austern sprechen“, sie im Schaufenster betrachten und in Erinnerung schwelgen leider bleibe. Das allerdings tut er dann ausgiebig, und so erfahren wir nicht nur, wie vielfältig die Austernküche vor einhundert Jahren bereits war, sondern auch davon, dass noch während des Ersten Weltkriegs dank der neutralen Niederlande in Deutschland eine gewisse Grundversorgung mit dem edlen Schalentier bestand. Fünf Jahre nach dessen Ende gab es Austern in Berliner Delikatessgeschäften hingegen nur noch gegen internationale Valuta – und selbst für einen Berliner Lokal-Anzeiger musste man an einem ganz ordinären Montag 2 Milliarden Mark hinblättern.
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Folge vom 28.10.2023Das Amt ohne MenschenDer Boom der Telefonie zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde wesentlich ermöglicht durch die Telefonistinnen, die auf dem „Amt“ die meist männlichen Anrufer durchstellten. Ledig mussten sie sein, jung, höflich, gebildet, wenn möglich mit Fremdsprachenkenntnissen – und die Post konnte sie dennoch schlecht bezahlen, da es sich um ledige Frauen handelte, die ja, nach damaliger Vorstellung, zwangsläufig nur sich selbst zu versorgen hatten. 1907 arbeiteten im Deutschen Reich 16.000 „Fräulein vom Amt“. 1908 wurde in Hildesheim das erste automatische Ortsnetz in Betrieb genommen. Diese Technologie sollte nach und nach diesen Berufszweig überflüssig machen. Eine solche Zukunftsperspektive eines Amts ohne Menschen skizziert für die Hauptstadt auch die Berliner Morgenpost in ihrer 2 Milliarden teuren Ausgabe vom 28.10. 1923. Den entsprechenden Artikel liest Frank Riede für uns ein.