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Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 15.11.2023Leni Riefenstahl und andere neue Sterne am TanzhimmelSeine Dissertation aus dem Jahr 1894 hatte John Schikowski noch sehr trocken und ernsthaft „Über Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenstatistik“ verfertigt, danach aber machte er seine große Leidenschaft, den Tanz, zu seinem Beruf und avancierte spätestens in der Weimarer Republik zu einem der meistgeschätzten Kritiker dieser Kunst. Als solcher beobachtete er mit großer Neugier, was Abend für Abend auf den hauptstädtischen Bühnen anhob, die Tanzwelt zu revolutionieren, und gab davon regelmäßig den Leserinnen und Lesern des Vorwärts Bericht. So auch am 15. November 1923 in dessen Morgenausgabe (Bezugskosten: 50 Milliarden Mark), in der verschiedene aufstrebende Künstlerinnen respektive Kompanien von ihm vergleichend betrachtet werden. Am besten schneidet dabei eine damals noch weithin namenlose, heute indes äußerst bekannte junge Tänzerin ab, die ihr Talent später durchaus eher nicht in den Dienst der Sozialdemokratie stellte. Für uns hat Frank Riede deren erste (Tanz-)Schritte verfolgt.
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Folge vom 14.11.2023Hitler-Anhänger demonstrieren in CharlottenburgMochte der Hitler-Ludendorff-Putsch vom 9. November 1923 auch innerhalb weniger Stunden relativ kläglich in sich zusammengebrochen sein, so waren die zahlreichen Unterstützer dieses Unterfangens naturgemäß nicht über Nacht verschwunden oder gar bekehrt. Manche von ihnen trauten sich sogar schon sehr bald wieder mit lauten Parolen auf die Straße, und das nicht nur in der bajuwarischen „Hauptstadt der Bewegung“, sondern auch im preußischen Nordosten des Reiches wie dem gediegenen Charlottenburg. Ca. 1000 Personen zählte das Friedenauer Tageblatt vom 14. November bei einer Kundgebung auf dem Wilhelmplatz, dem heutigen Richard-Wagner-Platz, die sich anlässlich einer Ansprache des völkisch-antisemitischen Publizisten und Reichstagsabgeordneten Reinhold Wulle gebildet hatte und die aus ihrer Sympathie für die nationalsozialistischen Ziele keinen Hehl machte. 20 Milliarden Mark kostete eine Ausgabe des Friedenauer Tageblatts seinerzeit, heute kann man sie kostenlos in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin einsehen, was für uns Paula Rosa Leu getan hat.
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Folge vom 13.11.2023Die Welt zu Gast in KöpenickWie schon gestern, bleiben wir mit unserer Textauswahl auch heute im Südosten von Groß-Berlin, wenden uns von Friedrichshagen, wo die Niederbarnimer Zeitung erschien, allerdings ein paar Kilometer nach Westen, der Cöpenicker Zeitung und deren Kurznachrichtendienst zu. Dort finden wir einige interessante Nachrichten, die den zurückliegenden Putsch in München betreffen, allen voran eine von der Festnahme ihres wichtigsten Rädelsführers. Daneben erhalten wir unter anderem aber auch Kunde von fortgesetzten und beendeten Streiks in In- und Ausland, von den jüngsten Ergüssen aus dem Hause Wagner und den verbotenen Genüssen im amerikanischen Zeitalter der Prohibition. Kurz: die ganze bunte weite Welt in wenigen Zeilen, die man sich am 13. November 1923 in Köpenick für schlappe 70 Milliarden Mark nach Hause holen konnte. Für uns tut dies Frank Riede.
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Folge vom 12.11.2023Niederbarnimer Zeitung über LudendorffWie gestern angekündigt, kommt heute wegen des Buchdruckerstreiks eine Zeitung zu Wort, die wir selten durchforsten: die Niederbarnimer Zeitung. In ihrer Ausgabe vom 12. November 1923, die 30 Milliarden Mark kostete, widmet sie sich Erich Ludendorff, der 3 Tage zuvor zusammen mit Hitler den Marsch auf die Feldherrenhalle angeführt hatte und noch am selben Tage verhaftet worden war. Würde er im Gefängnis landen? Schon nach seiner Beteiligung am Kapp-Putsch im Jahre 1920 war er glimpflich davongekommen, zehrte von seinem Nimbus als Held des Ersten Weltkriegs. Während wir im Laufe des Novembers in anderen Zeitungen bissige und sogar vernichtende Kommentare zu Ludendorff finden, wird er hier sehr milde für seine Rolle beim Putsch kritisiert – damit hat der Artikel eine Tendenz, die sich auch bei der Justiz durchsetzen sollte, denn Ludendorff wurde auch für diese verräterische Handlung aufgrund der angeblichen großen Verdienste im Ersten Weltkrieg freigesprochen. Was es in Friedrichshagen, Rahnsdorf und Fichtenau dazu zu lesen gab, teilt uns Paula Rosa Leu mit.