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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 18.05.2023Bei Adam und Eva im ParadiesDas Verhängnis zwischen den Geschlechtern nahm bekanntlich schon im Paradies seinen Anfang. Wo sich die Genesis über die Reibereien zwischen Adam und Eva eher biblisch wortkarg auf das Allerwesentlichste (Schlange, Frucht, Vertreibung) konzentriert, wagt die Heimwelt, die Unterhaltungsbeilage des sozialdemokratischen Vorwärts, am 18. Mai 1923 einen etwas detaillierteren Blick auf die Mutter aller Beziehungskisten. Und entdeckt – wenig überraschend angesichts des humoristischen Genres – allerlei Gemeinsamkeiten mit moderneren Frau-Mann-Konstellationen. Dass hier ein Mann schreibt, merkt man dem Text angesichts einiger Geschlechterstereotypien wohl an. Autor Karl Ettlinger war gleichwohl ein Meister der feuilletonistischen Humoreske. Als Jude erhielt er ab 1933 Berufsverbot und starb 1939 in einem jüdischen Krankenhaus in Berlin. Seine „erste Zigarre“ raucht bzw. liest für uns Paula Rosa Leu.
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Folge vom 17.05.202375 Jahre PaulskircheDas 75. Jubiläum der sogenannten bürgerlichen Revolution von 1848 kam der angeschlagenen Weimarer Republik des Jahres 1923 gerade recht, sich der ansonsten nicht eben mit vielen stolzen Daten gesegneten deutschen Demokratiegeschichte zu versichern. Nachdem man im März in der republikanischen Presse bereits ausgiebig ihres Beginns auf der Barrikade in Berlin und anderswo gedacht hatte – auch wir hier bei Auf den Tag genau berichteten –, richteten sich nun zum 18. Mai alle Rückblicke auf den Zusammentritt der Frankfurter Nationalversammlung, des ersten gewählten deutschen Parlaments, in der Paulskirche. Bereits am 17. würdigt im Berliner Börsen-Courier der junge Journalist Richard Lewinsohn dieses Ereignis und geht unter anderem der Frage nach, wieviel Geist von Achtundvierzig in der Weimarer Verfassung stecke. Als Republikaner und Jude sollte auch Lewinsohn mit dem Ende von Weimar Deutschland verlassen müssen. Seine Flucht führte ihn zunächst viele Jahre nach Frankreich, später nach Brasilien. 1952 kehrte er zurück nach Europa, 1968 starb er während eines Forschungsaufenthalts in Madrid. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 16.05.2023Klabund: Ist China stärker als der Westen?1923 fragte man sich vereinzelt wie sich die Welt verändern würde, wenn Europa nicht mehr das wirtschaftliche und politische Machtzentrum darstellen sollte. Die Blicke gingen nach Amerika aber auch damals schon nach Asien. Der Schriftsteller Klabund zeichnete in einem Kapitel seines phantastischen Romans „Spuk“ eine zugespitzte finale Auseinandersetzung zwischen dem „Westen“ und dem „Osten“ mittels eines Boxkampfes. De facto läuft der Konflikt darauf hinaus, ob Europa eigentlich noch China gewachsen ist, womit wir bei ganz aktuellen Fragestellungen wären. Frank Riede liest für uns den Text, in dem keiner besonders gut wegkommt, allerdings der Vertreter Chinas auch mit heute zu recht als rassistisch empfundenem Vokabular beschrieben wird.
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Folge vom 15.05.2023Eine Unterredung mit HindenburgPaul von Hindenburg stand – als gefeierter, letztlich aber geschlagener Weltkriegsgeneral – am Anfang und – als greiser Reichspräsident, der Adolf Hitler zum Reichskanzler machte – am Ende der Weimarer Republik. Vor seiner Wahl ins höchste Staatsamt 1925 machte er sich öffentlich eher rar, wurde gelegentlich aber vor allem aus dem rechts-monarchistischen Lager gerne zu Fragen des politischen und sonstigen Lebens konsultiert. Zu jenem gehörte tendenziell auch der Berliner Lokal-Anzeiger aus dem Verlagshaus Scherl, der in diesem Fall allerdings nicht selbst in Hindenburgs Altersitz in Hannover zur Audienz geladen war, sondern in seiner Ausgabe vom 15. Mai 1923 vielmehr eine amerikanische Depesche über ein Gespräch, das der scheidende Oberkommandierende der US-amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland McMahon dort geführt hatte, übernahm. Interviews, wie sie heute beinahe inflationär unsere Medien beherrschen, kannte man in den 1920er Jahren noch nicht (wahrscheinlich weil die Aufnahmetechnik das nicht hergab), deshalb sind die Äußerungen Hindenburgs hier wie üblich in einen erzählenden Bericht eingebunden. Paula Rosa Leu hat in ihn hineingeschaut.