NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 18.07.2023Wetter und SterblichkeitDass sich Extremwetter nicht nur unmittelbar auf die Volksgesundheit auswirken, sondern tatsächlich sogar die Mortalität in die Höhe treiben kann, ist gesichertes Wissen nicht erst seit den Zeiten der fortschreitenden Erderwärmung mit ihren immer neuen Temperaturrekorden. Auch schon vor einhundert Jahren wusste man dies, wie der nachfolgende Artikel aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger vom 18. Juli 1923 sehr deutlich illustriert. Überraschend signifikant manifestieren sich sowohl Hitzeperioden im Sommer, als auch verschärfte Frostphasen im Winter in den herangezogenen Statistiken, wobei immer auch andere, vor allem sozial-ökonomische Faktoren hier in die Deutung miteinbezogen werden. Ein gravierender Unterschied zu heutigen Bilanzen fällt indes schlagend ins Auge: Von alten Menschen ist bei den Opferzahlen damals kaum die Rede. Stattdessen schlagen die Wettererscheinungen vor allem in einer erhöhten Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit zu Buche. Paula Rosa Leu kennt die traurigen Details.
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Folge vom 17.07.2023Die ausgestorbenen SommerwagenWer kennt sie nicht – die unangenehme Situation einer überfüllten Trambahn im Hochsommer. Die Luft bewegt sich keinen Millimeter und verzweifelte Passagiere reißen an den kleinen Klappfenstern herum, die sich oftmals nicht öffnen lassen. Man denkt an die wohlhabenden Automobilist:innen, die in Cabriolets umherfahren. „Ach gäbe es doch ein Tram-Cabrio!“ Diesen Ausruf finden wie sinngemäß in der Vossischen Zeitung vom 17. Juli 1923. Dort allerdings nicht als Phantasiegebilde, sondern als die Forderung nach der Rückkehr eines konkreten Tram-Typs, der als Sommerwagen bezeichnet wurde, kein Verdeck hatte, der aber tatsächlich im Betrieb gewesen war, bevor er Anfang der 20er Jahre von den Schienen der Trambahn verschwand. Aktuell ist so eine Tram undenkbar, da offene Straßenbahnen durch die in Deutschland gültige Straßenbahn Bau- und Betriebsordnung verboten sind. Frank Riede stimmt in die Wehklage um die Sommerwagen für uns mit ein.
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Folge vom 16.07.2023Ein Wimmelbild vom Strandbad WannseeDas Strandbad Wannsee des Architekten Richard Ermisch zählt zu den ikonischen Bauten der Neuen Sachlichkeit und darf in keinem Buch über das Berlin der Weimarer Republik fehlen. Errichtet wurde es freilich erst Ende der 1920er Jahre, nachdem ein Brand das alte Bad teilweise zerstört hatte und dessen Kapazitäten zuvor ohnehin an ihre Grenzen gestoßen waren. Einen lebendigen Eindruck, von dem Andrang, der an heißen Sommertagen hier tatsächlich geherrscht hatte, gibt ein Bericht aus dem 8-Uhr-Abendblatt vom 16. Juli 1923. Obwohl der Wannsee erst 1907 zum Baden freigegeben worden war, präsentiert er sich hier bereits als die berühmt-berüchtigte Badewanne der Berliner, von der der namenlos bleibende Autor mit kräftigem Pinsel ein eindrucksvolles Wimmelbild zeichnet. Paula Rosa Leu hat es sich für uns angesehen und eingelesen.
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Folge vom 15.07.2023Bei der jüdisch-orthodoxen Gemeinde Adass JisroelAuch wenn die große Mehrheit der Berliner Jüdinnen und Juden vor einhundert Jahren ähnlich säkular lebte wie ihre christlichen Nachbarn, nimmt es sich doch etwas überraschend aus, wie wenig wir aus den damaligen Tageszeitungen aus dem hiesigen jüdischen Gemeindeleben erfahren und via Podcast weitergeben können. Zum Glück ist auf Erdmann Graeser Verlass, der bei seinem seriellen „Rundgang durch religiöse Gemeinschaften in Berlin“ auch bei der „Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel“ in der Artilleriestraße, der heutigen Tucholskystraße in Mitte vorbeigeschaut hat. Bei dieser, erfahren wir in seinem Artikel aus der Vossischen vom 15. Juli 1923, handelte es sich um eine orthodoxe Abspaltung der liberal und reformerisch orientierten Berliner Mehrheitsgemeinde mit eigenem Gotteshaus und eigenem Friedhof – als die sie auch heute in Berlin wieder besteht und neben Synagoge und Gemeinsehaus u.a. auch ein Café und einen koscheren Lebensmittelladen unterhält. Es liest Frank Riede.