NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 16.06.2023Blutiger Umsturz in BulgarienDie Korrespondentennetze der Berliner Tageszeitungen waren auch schon in den 1920er Jahren eng geknüpft. Nach dreieinhalb Jahren Auf den Tag genau muss man die Regionen Europas, in denen wir noch nicht vorbeigeschaut haben, entsprechend mit der Lupe suchen. Relativ unterbelichtet blieb tatsächlich ein Land im Südosten des Kontinents, das als Kriegsverbündeter der Mittelmächte nach 1918 in noch ärgere politische Turbulenzen geraten war als Deutschland oder Österreich: Bulgarien. Seit 1919 regierte hier als bald schon quasi alleinherrschender Ministerpräsident Aleksandar Stambolijski von der radikalen Bauernpartei, der in Opposition zur alten königlichen Regierung bereits während des Weltkriegs eine militärische Kooperation mit der Entente gefordert hatte. Diese alten Verbindungen halfen ihm nun aber auch nicht wirklich, als es in den Verhandlungen von Neuilly darum ging, die territorialen Verluste Bulgariens in Grenzen zu halten. Entsprechend groß war der Hass seiner innenpolitischen Gegner, die einen Urlaub Stambolijskis in seinem Heimatdorf im Frühsommer 1923 dazu nutzten, ihn von der Macht zu putschen. Die äußerst blutigen Details seiner Ermordung spart die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 16. Juni vielleicht auch deshalb aus, weil sie in ihm nach alter Weltkriegslogik noch immer den Anti-Deutschen sah. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 15.06.2023Der HundertjährigeMedienberichte über Menschen, die ein Alter von 100 Jahren und mehr erreicht haben, stellen heute wie früher die Frage danach, wie man so etwas vollbringt. Spielte eine besondere Ernährung oder Lebensführung eine Rolle? Auch unser heutiger Artikel aus dem Berliner Börsen-Courier vom 15. Juni 1923 macht da keine Ausnahme. Aber unabhängig davon, ob täglich drei Prisen Schnupftabak zu hohem Alter verhelfen – wohl eher nicht –, überrascht im Leben des Hundertjährigen, das Paula Rosa Leu für uns ausbreitet, wieviel er in der Welt rumgekommen ist. Zumindest er straft unsere Vorstellung von geringer Mobilität in der Arbeiterschicht des Kaiserreichs Lügen.
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Folge vom 14.06.2023Ein neuer Urlaubstrend: CampingDen Deutschen eilt seit Menschengedenken der Ruf voraus, ein Volk von Urlaubern zu sein, das selbst dann noch der Reiselust frönt, wenn es sich jeden Tag vom Munde absparen muss. Wie dramatisch diesbezüglich die Not in Zeiten galoppierender Hyperinflation war, kann man sich lebhaft vorstellen. Aber da Not bekanntlich aber auch erfinderisch macht, versucht die Berliner Volks-Zeitung am 14. Juni 1923 ihrem Publikum eine alternative Form des Reisens schmackhaft zu machen, die sich bis heute längst nicht mehr nur in Kreisen mit niedrigen Urlaubsbudgets anhaltender Beliebtheit freut: das Campen. Nach heutigen Maßstäben mögen die Beschreibungen aus den Brandenburger Wäldern reichlich archaisch klingen. Das Grundprinzip dieser Art der „Sommerfrische“ ist aber durchaus widererkennbar. Frank Riede zieht, soweit wir wissen, andere Formen des Travelling vor; für uns hat er sein Zelt aber dankenswerterweise trotzdem in die märkische Forst gestellt.
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Folge vom 13.06.2023Dr. Alice Salomon: AmerikabriefeDie 1872 in Berlin geborene und in einem großbürgerlichen Milieu in der Nähe des Anhalter Bahnhofs aufwachsende Alice Salomon litt darunter, dass für sie, neben dem Erlernen der praktischen Haushaltsführung, keine weitere Bildung vorgesehen war. Über die Mitarbeit in Frauenvereinen kämpfte sie als junge Erwachsene und ihr Lebe lang für Frauenbildung aller und erreichte für sich, dass sie, obwohl ohne Abitur, studieren durfte. In ihrer Dissertation untersuchte sie dann „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“. Ob sie für den Artikel aus dem Berliner Tageblatt vom 13. Juni 1923 weniger asugezahlt bekam als ihre männlichen Kollegen, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls betätigt sie sich darin als Auslandsreporterin und teilt ihre Eindrücke aus Amerika mit, die teilweise zeigen, wo die Wurzeln unseres heutigen Amerikabildes liegen, teilweise aber auch überraschende Beobachtungen enthalten. Es liest Paula Rosa Leu.