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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 08.12.2024Sieg für die Sozialdemokraten?Die Reichstagswahlen am 7. Dezember 1924 hatten zwar, verglichen mit den Wahlen vom Mai desselben Jahres, zu einer Stärkung der politischen Mitte bei gleichzeitiger Schwächung des kommunistischen und des deutsch-völkischen Randes geführt, eine Mehrheitsfindung blieb aber weiterhin problematisch. In ihrer Parteizeitung, dem Hamburger Echo, vom 8. Dezember feierte sich die SPD als eindeutige Wahlsiegerin. Dabei zeigt sich aber auch, wie zerstritten das gesamte politische Spektrum war, denn der Artikel macht nicnt nur aus der diebischen Freude über die Niederlage der politischen Ränder, insbesondere die Kommunisten, keinen Hehl, sondern attackiert auch polemisch die Deutsche Volkspartei, die eigentlich als eine potentielle Koalitionspartei innerhalb des prorepublikanischen Spektrums zu betrachten wäre – eine Polemik, die in der Titulierung des Außenministers als „Stresemännchen“ einen klaren Ausdruck findet. Rosa Leu stellt also heute die Wahlergebnisse aus der Sicht der SPD vor, bevor wir morgen aus einer anderen Perspektive darauf blicken.
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Folge vom 07.12.2024Ein kritischer Reisebericht aus FeuerlandDer 7. Dezember war der Tag der bereits zweiten Wahlen zum deutschen Reichstag im Jahr 1924, und selbstredend dominierte dieses Thema auch die Berichterstattung der wenigen Hamburger Tageszeitungen, die damals sonntags erschienen. Das sozialdemokratische Hamburger Echo machte diesbezüglich keine Ausnahme. Hinter den erwartbaren Wahlaufrufen und Wahlempfehlungen auf den ersten Seiten fand man hier allerdings auch noch Platz, die Leserinnen und Leser auf eine Reise ans entgegengesetzte Ende der Erde mitzunehmen, das seit neuestem vom Passagierschiff Cap Polonio regelmäßig von Hamburg aus angefahren wurde: nach Feuerland, an die Südspitze Südamerikas. Selbst angetreten scheint der mit R.W. zeichnende Autor diese wenig proletarische Reise nicht zu haben. Sein Artikel stützt sich vielmehr auf den Bericht eines italienischen Naturforschers, der offensichtlich damals schon sehr kritisch nicht nur über die ökonomische Ausbeutung des fernen Landes, sondern auch über den rücksichtslosen Umgang mit den dort lebenden Indigenen berichtete – wenn auch zum Teil in für uns irritierendem Vokabular. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 06.12.2024St. Nikolaus und seine christlichen und heidnischen BegleiterZu den wiederkehrenden Beobachtungen in knapp fünf Jahren Auf den Tag genau zählt jene, wie sehr sich unsere großen Feste historisch gewandelt haben. Schon manche Bräuche aus den 1920er Jahren sind uns erstaunlich fremd; noch viel mehr aber gilt dies für die älteren Traditionen, an die die damaligen Zeitungen zu Festtagen gerne erinnerten und dabei offensichtlich davon ausgingen, dass bereits ihr Publikum um sie nicht mehr wusste. Dass der Nikolaustag über lange Zeit wenn nicht das wichtigere, so doch zumindest das gegenüber Weihnachten geschenkreichere Fest darstellte, ist uns irgendwo noch bekannt. Ziemlich in Vergessenheit geraten ist indessen, wie sehr sich in den alten, zumal ländlichen Konventionen, ihn zu begehen, einmal mehr christliche und heidnische Aspekte mischten. Vom genuin synkretistischen Charakter auch von Sankt Nikolaus erzählt der Hamburgische Correspondent vom 6. Dezember 1924 – und für uns Rosa Leu.
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Folge vom 05.12.2024Antisemitischer Blödsinn - Warburg vs. FritschDer Bankier Max Warburg, 1924 in Hamburg und in Deutschland eine Institution, eine Personifikation der wirtschaftlich prosperierenden Handelsmetropole and der Elbe, sah sich immer wieder dumpfen antisemitischen Angriffen ausgesetzt. So beschimpfte der antisemitisch völkische Publizist Theodor Fritsch in seiner Zeitschrift „Der Hammer – Blätter für Deutschen Sinn“ die Familie Warburg, der auch von ihm verlegten Verschwörungs- und Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ folgend, als Teil einer Clique, die die Weltherrschaft an sich reißen wolle und eigentlich die politischen Entscheidungen lenkt. Max Warburg wehrte sich daraufhin gerichtlich. Der Feuilletonist des Hamburger Anzeigers mit dem Pseudonym Dr. Uhu war beim Prozess dabei und berichtete in der Ausgabe vom 5. Dezember von dem dort vernommenen antisemitischen Blödsinn. Fritsch wurde tatsächlich zu 3 Monaten Gefängnis und dem Abdruck zahlreicher Richtigstellungen verurteilt - wie so oft in der Weimarer Republik, reduzierte sich das Strafmaß nach zahlreichen Revisionen im Jahre 1927 auf die Zahlung von 1000 Mark. Es liest Frank Riede.