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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 17.12.2023Trude Hesterberg als Señora auf der OperettenbühneDie Operette Señora aus der Feder des Komponisten Hugo Hirsch ist heute kaum mehr auch nur dem Namen nach bekannt. Wie so viele andere während der Nazi-Zeit verfemte Künstler, konnte auch der in den Zwanzigern für seine Ohrwürmer berühmte Hirsch nach der Rückkehr aus dem Exil nicht mehr an die Erfolge von einst anknüpfen und starb 1961 wenige Tage nach dem Mauerbau in West-Berlin bereits weitgehend vergessen. Den Namen von Trude Hesterberg kennt man schon eher noch. Während der Weimarer Jahre war sie eine der führenden Chansonnieren, Soubretten und Kabarettistinnen der Republik. Obwohl jüdischer Herkunft, durfte sie aufgrund ihrer großen Popularität und einer Sondergenehmigung von Joseph Goebbels auch nach 1933 weiter auftreten und wurde später eine gefragte Schauspielerin im deutschen Nachkriegskino. Wie sie sich 1923 in der Uraufführung der Señora am Deutschen Künstlertheater an der Budapester Straße in der Titelrolle geschlagen hatte, konnte man am 17. Dezember für 25 Goldpfennig in der Berliner Börsen-Zeitung nachlesen – oder man fragt Frank Riede.
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Folge vom 16.12.2023Es wird wieder gekauftIn den letzten Monaten konnten wir die wachsende Armut rund um die Hyperinflation des Jahres 1923 verfolgen. Kein Tag, an dem sich nicht zahlreiche Artikel der Hauptstadtzeitungen mit steigenden Lebensmittelpreisen, verpuffenden finanzpolitischen Interventionen und Einblicken in bitterste Armut beschäftigten. In der Vorweihnachtszeit aber sorgte die Rentenmark für die langersehnte Stabilität der Währung, was wir ganz anschaulich mit den nicht mehr steigenden Preisen der Zeitungen belegen können. In der Regel wird der Preis nun neben Mark auch in Goldpfennig angegeben. So etwa bei der heutige Ausgabe des Berliner Tageblatts vom 16. Dezember: 25 Goldpfennig = 250 Milliarden Mark. Und in ihr finden wir, nach langer Zeit, einen hoffnungsvollen Bericht über das wieder steigenden Kaufverhalten im Einzelhandel – rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft. Paula Rosa Leu beschreibt für uns die Eindrücke vom Shopping vor 100 Jahren.
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Folge vom 15.12.2023Politische GefangeneDer Schriftsteller, Journalist und Politiker Felix Fechenbach wurde 1922 in München wegen angeblichem Volksverrat in einem politisch motivierten Verfahren zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein Schicksal ist eines von vier Beispielen, die die Berliner Volks-Zeitung vom 15. Dezember aus der ganzen Welt zusammenträgt, unter dem Untertitel: Die Weltschmach der „politischen Gefangenen“. Ein klarer Appell an die demokratischen Republiken der Welt, eine wirklich unabhängige und nicht politisch agierende Judikative durchzusetzen. In der Aussage eines von der Zeitung zitierten Gefangenen findet sich eine pauschalisierende und abschätzige Bemerkung gegenüber Marokkaner*innen. Felix Fechenbach wurde aufgrund von anhaltenden Protesten im Jahre 1924 begnadigt, engagierte sich weiterhin politisch für die SPD und gegen den Aufstieg der NSDAP. Er wurde am 11. März 1933 verhaftet und wenige Monate später auf dem Weg ins KZ Dachau brutal ermordet. Frank Riede schaut für uns auf die „politischen Gefangenen“ in Amerika, Irland, im von Frankreich besetzten Gebiet und in Bayern.
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Folge vom 14.12.2023Alfred Polgar über Karl ValentinGroßstadtfeuilleton ist, wenn eine Wiener Legende und ein Münchener Original in einer Berliner Tageszeitung aufeinander treffen. So geschehen wahrscheinlich öfter in den 1920er Jahren, aber konkret sei heute hier die Rede von Alfred Polgar, der im Berliner Tageblatt vom 14. Dezember 1923 der spezifischen Komik des großen Karl Valentin auf den Grund zu gehen versucht. „Er ist ein Phänomen und spottet der Analyse“, schließt sein Text voll Bewunderung und Bescheidenheit. In den vorangegangenen zwei kleinen Spalten kommt der Literat Polgar dem Phänomen Valentin aber vermutlich näher als die meisten anderen Exegeten. Kostenpunkt der veröffentlichenden Abendausgabe übrigens: 100 Milliarden Mark. Oder wie man neuerdings rechnete: 10 Goldpfennig. Unser Mann bei diesem Gipfeltreffen ist Frank Riede.