
NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 11.06.2023Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV!„Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV!“ In unseren Tagen hört man dieses alte Lied wohl allenfalls noch aus der gegnerischen Kurve und dann hämisch gemeint. Vor einhundert Jahren war das ganz anders und der ehrwürdige Hamburger Sportverein tatsächlich das Nonplusultra im hiesigen Fußball. Nachdem das Finale 1922 zwischen dem HSV und dem ‘Club‘ aus Nürnberg noch unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen abgebrochen werden musste und die Hamburger, obwohl zunächst zum Sieger erklärt, den Titel dann nicht führen wollten oder durften, klappte es nun ein Jahr später endlich auch offiziell mit dem ersehnten ersten deutschen Meistertitel. Gegner im Finale 1923, erfahren wir aus der B.Z. am Mittag vom 11. Juni, war der Vorgänger eines Vereins, der aktuell, anders als der HSV, in der Bundesliga für ziemlich viel Furore sorgt – der aber vor einhundert Jahren, wie uns Paula Rosa Leu zu berichten weiß, überraschenderweise als Zweitplatzierter sogar noch einen Tick besser notiert war als heutzutage.
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Folge vom 10.06.2023Kinder auf der Straße - In der NachtVor 10 Jahren wurde der Roman „Blutsbrüder – ein Berliner Cliquenroman“ wiederentdeckt. Dieses Werk des Autors Ernst Haffner, das 1932 erschienen war und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten umgehend verboten wurde, schildert sehr eindrücklich das Leben und Überleben von obdachlosen Minderjährigen auf den Straßen von Berlin. Das Problem der auch in der Nacht umherziehenden Kindern und Jugendlichen bestand schon Anfang der 1920er und wurde etwa im Vorwärts vom 10. Juni 1923 thematisiert. Heute erfahren wir also, dank Paula Rosa Leu, welche Kinder der Vorwärts bei seinen nächtlichen Recherchespaziergängen angetroffen hat.
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Folge vom 09.06.2023Die Rote Fahne über die Situation an Rhein und RuhrVon der nationalkonservativen Deutschen Allgemeinen Zeitung bis zum sozialdemokratischen Vorwärts: Der Ton der Entrüstung, mit dem seit Monaten – auch bei uns im Podcast – über die französisch-belgische Besetzung im Ruhrgebiet berichtet wird, unterscheidet sich zwischen den politischen Lagern bzw. der ihnen nahestehenden Presse nur in der Nuance; wechselseitig überbietet man sich mit täglichen Artikeln über die dort verübten Gräueltaten. Ein etwas anderes Bild vermittelt demgegenüber unser heutiger Blick ins noch linkere politische Spektrum, wo die KPD-Parteizeitung Rote Fahne am 9. Juni 1923 mit dezidiert abweichenden Beobachtungen aus der besetzten Zone aufwartet. Erwartungsgemäß werden hier, statt den nationalen, Klassenunterschiede und -gemeinsamkeiten betont, die zumindest in diesem Bericht tatsächlich auch keine Rassenschranken kennen. Das Vokabular ist zwar noch rassistisch kontaminiert, in der Sache werden bei den Opfern von Militarismus und Imperialismus allerdings sehr ausdrücklich keine Unterschiede hinsichtlich der Hautfarbe gemacht. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 08.06.2023Fridericus Rex in BrüsselErst vorgestern hatten wir hier im Podcast einen äußerst hoffnungsfrohen Zeitungsartikel über Ansätze zu einem wieder anlaufenden internationalen Kulturaustausch und dessen friedenstiftendes Potential in Nachkriegszeiten. Ganz anders gelagert als die dort besprochene Lesereise Thomas Manns in das vom Weltkrieg verschonte Spanien verhielt es sich freilich mit der Auslandswirkung des patriotischen Erbauungsfilms Fridericus Rex des ungarischen Regisseurs Arzen von Cserépy über Friedrich den Großen, der wegen seiner vermeintlichen Verherrlichung des preußischen Militarismus etwa in den USA scharf kritisiert wurde. Einen anderen Weg des Umgangs ging man offensichtlich in Belgien, wo der Streifen aus dem gleichen Grund ein gefundenes Fressen war, vor einem ungebrochenen aggressiven Nationalismus in Deutschland zu warnen und die eigene Politik der Ruhrbesetzung damit indirekt zu legitimieren. Das Berliner Tageblatt blickt am 8. Juni 1923 wegen dieser propagandistischen Ausschlachtung seinerseits empört nach Brüssel. Es liest Paula Rosa Leu.