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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 21.12.2020Weihnachten vor dem Krieg: Wie ein Märchen fern...Krieg bedeutet Schlachten, Tote und Gefangene. Aber Krieg heißt auch banaler: harte Einschränkungen in den Friedenszeiten, die auf ihn folgen. 1920 hatten nicht nur die Berliner mit enormen Preissteigerungen bei gleichzeitigem Angebotsmangel zu kämpfen. Der Verzehr von Schlagsahne war, wie wir bereits berichteten, verboten. Aber auch weniger ausgefallene Güter waren entweder gar nicht zu bekommen oder konnten nur zu vergleichsweise astronomischen Summen erstanden werden. Die Berliner Volkszeitung konstruiert in ihrem Artikel vom 28. Dezember die Situation einer Großmutter, die ihren Enkeln von der Zeit vor dem Krieg erzählt. Für die kleinen Kinder klingt all das wie ein Märchen. Sicherlich: die in dieser Szene enthaltene Verklärung der Kaiserzeit ist problematisch; die eigentliche Pointe aber bleibt heute so aktuell wie vor hundert Jahren: Nie wieder Krieg! Es liest Paula Leu.
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Folge vom 20.12.2020Das Leiden des jungen Ixypsilon'Eins, zwei, drei' in der Regie von Billy Wilder, mit James Cagney, Lieselotte Pulver und Horst Buchholz, gilt bis heute, sehr zurecht, als einer der berühmtesten Berlin-Filme. Weit weniger bekannt ist, dass Wilders rasanter Komödie ein gleichnamiges Theaterstück von Ferenc alias Franz Molnár aus dem Jahr 1929 als Vorlage diente. Dabei war der Ungar Molnár in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der erfolgreichsten Dramatiker Europas, dessen Stücke auch in Amerika große Popularität erlangten und dem Lebemann und berüchtigten Casanova Molnár ein mondänes Leben ermöglichten. Seine literarischen Anfänge hatte freilich auch er als Journalist. Neben ungarischen schrieb er gelegentlich auch für deutsche Zeitungen, u.a. für das Berliner Tageblatt. Aus dessen Ausgabe vom 20. Dezember 1920 liest Frank Riede.
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Folge vom 19.12.2020Vorreiter im Antisemitismus: Burschenschaften1881 noch als „Allgemeiner Deputierten-Convent“ gegründet, ist die Deutsche Burschenschaft der bis heute bestehende Dachverband einer speziellen Gruppe von Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich. Immer wieder wird sie mit rechtsextremistischem Gedankengut in Verbindung gebracht. War die Deutsche Burschenschaft zu Beginn der Weimarer Republik noch bereit zu konstruktiver Zusammenarbeit mit den politischen Institutionen, lehnte sie diese nach Unterzeichnung des Versailler Vertrages strikt ab und stellte sich stattdessen an die Spitze der sogenannten Völkischen Bewegung. Auf dem Burschentag 1920 wurde der Rassenantisemitismus explizit in die Grundsätze der Deutschen Burschenschaft aufgenommen, was Bruno H. Bürgel in seinem Kommentar für die Berliner Morgenpost am 19.12. scharf kritisiert. Seine eigene Argumentation ist dabei allerdings selbst nicht frei von rassistischen Vorurteilen und zeigt nicht zuletzt, wie fest verankert diese Ansichten in wohl allen Teilen der Gesellschaft dieser Tage waren. Es liest Paula Leu.
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Folge vom 18.12.2020Kein “Anschluss” unter diesem Präsidenten?Sowohl im Friedensvertrag von Versailles, als auch im Vertrag von Saint-Germain wurde ein sog. Anschlussverbot der neuen Republik Österreich an das Deutsche Reich verankert. Österreich durfte demnach nur mit Zustimmung des Völkerbundes seine Unabhängigkeit aufgeben. Nichts desto trotz gab es in Österreich politische Kräfte, die ein Überleben und Erstarken der Republik nur in einer Verschmelzung mit Deutschland ermöglicht sahen. Der erste, am 9. Dezember 1920 gewählte Bundespräsident Österreichs Michael Hainisch stand dieser Überzeugung durchaus nahe, wie die Wiedergabe eines Gespräches mit dem Korrespondenten des Berliner Tagblattes Leo Lederer zeigt, die am 18. Dezember veröffentlicht wurde. Die in dem Artikel enthaltenen Anspielungen auf Hainischs vorherige Tätigkeit beziehen sich auf seine agrarwissenschaftlichen Experimente, mit denen der auf seinem Landgut etwa die berühmte Kuh „Bella“ mit Rekordmilchleistung züchtete. Für uns liest Frank Riede.