Was vorbei ist, ist nicht immer vorbei. Es kann plötzlich in die Gegenwart einbrechen – und für Unruhe sorgen. Von dieser Erfahrung erzählen die Deutsche Monika Zeiner in «Villa Sternbald oder «Die Unschärfe der Jahre» und die US-Amerikanerin Claire Lombardo in «Genau so, wie es immer war».
Nach langer Zeit kehrt Nikolas Fink in sein Elternhaus bei Nürnberg zurück. Die Villa ist seit 125 Jahren im Besitz der Familie, die mit der Herstellung von Schulmöbeln reich geworden ist. Aus Nikolas geplantem Wochenende wird ein ganzes Jahr, in dem er die Vergangenheit der Fabrikantendynastie aufrollt und dabei Verstörendes ans Licht befördert. Der zweite Roman der deutschen Autorin Monika Zeiners «Villa Sternbald» oder «Die Unschärfe der Jahre» sei «ein wuchtiges, intellektuelles und fantasievolles Buch», das «viel will und viel kann», findet Tim Felchlin.
In ihrem Roman «Genau so, wie es immer war» erzählt die US-Amerikanerin Claire Lombardo von der Mittfünfzigerin Julia Ames, die eigentlich alles hat, was man sich wünschen kann: eine verlässliche Ehe, zwei gesunde Kinder, ein schönes Haus, soziales Ansehen. Aber dann trifft sie eine Bekannte, die sie vor langer Zeit aus ihrem Leben verbannt hat, und Julias stabiles Leben droht auseinanderzubrechen. Was nach Soap Opera klingt, macht Lombardo zu einer «grossartigen Charakterstudie», findet Britta Spichiger. Authentisch, präzis und empathisch erzähle Lombardo von einer Frau, die in der Mitte ihres Lebens nochmals so richtig durchgeschüttelt wird – scheinbar ohne äusseren, erkennbaren Grund.
Der Schweizer Thomas Meyer, bekannt für seine Wolkenbruch-Romane, ist auch ein begnadeter Verfasser von zugespitzten und doppelbödigen Sprüchen, welche die Realität gegen den Strich bürsten. In «Auf Mut kannst Du lange warten» finden sich 144 derartige «Einsichten». Felix Münger liebt es, sich davon «irritieren» zu lassen – von Aussagen wie: «Egal, ob Du jeden Tag Klavier spielst oder eine unglückliche Beziehung aushältst: Irgendwann bis Du in beidem richtig gut.»
Buchhinweise:
· Monika Zeiner: Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre. 672 Seiten, dtv 2024.
· Claire Lombardo: Genau so, wie es immer war. Übersetzt aus dem Englischen von Sylvia Spatz. 720 Seiten, dtv 2024.
· Thomas Meyer: Auf Mut kannst Du lange warten. Weitere einhundertvierundvierzig Einsichten. 160 Seiten, lectorbooks 2024.

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Folge vom 26.11.2024Aktuelle Buchempfehlungen: Wenn uns die Vergangenheit einholt
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Folge vom 19.11.2024Aktuelle Buchempfehlungen: FrauenpowerAm Literaturstammtisch im BuchZeichen stellen zwei Redaktorinnen zwei aktuelle Bücher von zwei Frauen vor. Und zwar «Die Spielerin» von Isabelle Lehn und «Antichristie» von Mithu Sanyal. «Die Spielerin» ist der dritte Roman der deutschen Autorin Isabelle Lehn. Er handelt von der unscheinbaren Frau A., die zunächst als Investmentbankerin in Zürich, später dann als Buchhalterin der kalabrischen Mafia Geld wäscht – und selbst Millionen dabei verdient. Die Geschichte beruht auf einem wahren Fall. Lehn zeichnet ein rätselhaftes Psychogramm dieser Finanzverbrecherin. «Raffiniert und spannend» findet Katja Schönherr, die den Roman vorstellt. Durga hat deutsche und indische Wurzeln und arbeitet in London als Drehbuchautorin an einem rassismuskritischen Agatha-Christie-Projekt mit. Da katapultiert sie eine unfreiwillige Zeitreise ins Jahr 1906 und in einen Kreis indischer Revolutionäre, die den Fall der britischen Kolonie planen. Ein Pageturner, der zeigt, wie gegenwärtig Geschichte sein kann, sagt Franziska Hirsbrunner, die «Antichristie» von Mithu Sanyal mit an den Literaturstammtisch bringt. Buchhinweise: · Isabelle Lehn. Die Spielerin. 272 Seiten. S. Fischer, 2024. · Mithu Sanyal. Antichristie. 554 Seiten. Hanser, 2024.
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Folge vom 12.11.2024Aktuelle Buchempfehlungen: Vorschau Schweizer Buchpreis 2024Am Sonntag, 17.11., wird in Basel der Schweizer Buchpreis 2024 vergeben. Im BuchZeichen stellen wir die fünf nominierten Werke vor und schätzen ihre Gewinnchancen ein. Nominiert für den Schweizer Buchpreis 2024 sind: Zora del Buono. Seinetwegen Die 61-jährige Züricherin erzählt einen Teil ihrer Familiengeschichte und macht sich auf die Suche nach dem Mann, der den Unfalltod ihres Vaters verschuldet. Mariann Bühler. Verschiebung im Gestein Die 42-jährige Zentralschweizerin erzählt von drei Figuren, die in existentiellen Situationen stecken und sich neu orientieren müssen. Martin R. Dean. Tabak und Schokolade Der 69-jährige Aargauer erzählt anhand seiner eigenen Geschichte von Kolonialismus, Fremdsein und Heimat. Béla Rothenbühler. Polifon Pervers Der 34-jährige Luzerner erzählt von einem fiktiven Kulturverein und davon, was aus Gutgläubigkeit entstehen kann. Michelle Steinbeck. Favorita Die 34-jährige Zürcherin erzählt von der Spurensuche nach einer geheimnisvollen Mutter und thematisiert unter anderem Femizid, Identität und Begehren. Buchhinweise: · Zora del Buono. Seinetwegen. 204 Seiten. C.H.Beck, 2024. · Mariann Bühler. Verschiebung im Gestein. 208 Seiten. Atlantis, 2024. · Martin R. Dean. Tabak und Schokolade. 208 Seiten. Atlantis, 2024. · Béla Rothenbühler. Polifon Pervers. 224 Seiten. Der gesunde Menschenversand, 2024. · Michelle Steinbeck. Favorita. 464 Seiten. park x ullstein, 2024.
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Folge vom 05.11.2024Aktuelle Buchempfehlungen: Tine Melzer und Olga GrjasnowaEinmal nachdenklich, zweimal skurril, dreimal aktuell. So lassen sich die Bücher von Tine Melzer, Olga Grjasnowa und Raphael Zehnder, die diese Woche am Literaturstammtisch besprochen werden, wohl am besten auf den Punkt bringen. In Tine Melzers Roman «Do Re Mi Fa So» nimmt der Bariton-Sänger Sebastian Saum ein Vollbad und bleibt dann einfach liegen. Nackt verbringt er die Tage in der Badewanne mit Beobachtungen der Badezimmerfliessen und des eigenen Körpers und mit intensivem Nachdenken. Unterbrochen werden seine assoziativen Gedankengänge nur von Franz, seinem Mitbewohner und besten Freund, der ihm exquisite Mahlzeiten an die Badewanne serviert und der sich mehr und mehr Sorgen macht. Ein wunderbar skurriler und humorvoller Roman, der essenzielle Themen wie Freundschaft und Verantwortung verhandelt, meint Valentin Schneider. Welche Bedeutung hat das Judentum für Menschen mit jüdischer Herkunft, auch wenn sie nicht gläubig sind? Um diese Frage kreist der aktuelle Roman «Juli August September» der deutschen Autorin Olga Grjasnowa. Inspiriert von eigenen Erfahrungen als säkulare Jüdin in Deutschland schildert sie eine Frauenfigur, die permanent gefordert ist, sich zu ihrer jüdischen Herkunft zu «verhalten». Für Felix Münger leuchtet der Roman auf einen weniger bekannten Aspekt des Jüdisch-Seins – und ist gerade in Anbetracht des Grauens in Nahost beklemmend aktuell. In eine ganz andere Richtung geht der Buchtipp von Michael Luisier. Er empfiehlt Raphael Zehnders Kriminalroman «Müller und das letzte Gefecht» und blickt angesichts des Erscheinens des letzten Falls des Polizeikommissärs Müller mit Wehmut auf die ganze Serie zurück. Buchhinweise: Tine Melzer. Do Re Mi Fa So. 189 Seiten. Jung und Jung, 2024. Olga Grjasnowa. Juli August September. 214 Seiten. Hanser Berlin, 2024. Raphael Zehnder. Müller und das letzte Gefecht. 272 Seiten. Emons Verlag, 2024.