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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 10.01.2024Quer durch Deutschland im AutomobilWerner Beumelburg ist alles andere als ein unproblematischer Autor. Nationalist und Anti-Demokrat, stand er in harter Opposition zur Weimarer Republik und wurde, wenig überraschend, ab 1933 zu einem gefeierten Schriftsteller im Nationalsozialismus und Panegyriker Hitlers – den er persönlich zuvor lange noch kritisch betrachtet hatte. Ab 1942 führte er als Luftwaffenoffizier das Kriegstagebuch von Hermann Göring; ob er in den letzten Kriegsjahren tatsächlich etwas auf Distanz zum NS-Regime gegangen ist, wie eine Zeitlang geglaubt, ist höchst umstritten. Den späteren Werdegang Beumelburgs erahnt man in seinem Bericht über eine Autofahrt von Berlin nach Frankfurt aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 10. Januar 1924 allenfalls in der gelegentlich militärischen Metaphorik, mit der er Menschen wie Tiere hier marschieren lässt. Wir haben uns entschieden, den Artikel zu senden, weil er sehr eindringlich die Faszination veranschaulicht, die vom neuen Medium des Automobils und dem von diesem verheißenen Rausch der Geschwindigkeit auf die Zeitgenossen ausgegangen sein muss. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 09.01.2024Marie Juchacz über “Frauenfragen”Marie Juchacz zählte zu den größten Frauenrechtlerinnen der Weimarer Republik und war die erste Parlamentarierin, die nach der Einführung des Frauenwahlrechts vor der Weimarer Nationalversammlung sprach. Bei uns kehrt sie heute nach längerer Pause als Publizistin in den Podcast zurück, und zwar mit einem Text, der am 9. Januar 1924 in der Frauenwelt, einer Beilage des Vorwärts, erschien und sich auch, so der Titel, mit „Frauenfragen“ befasste. Dem Duktus des Artikels merkt man sein Alter von einhundert Jahren bisweilen durchaus an. Sein Thema – Fragen der Gleichberechtigung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – ist aber unvermindert aktuell. Es liest Paula Rosa Leu.
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Folge vom 08.01.2024Abschied vom alten Café BauerDas 1877 eröffnete Café Bauer an der zentralen Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße war in Berlin über Jahrzehnte eine gastronomische Institution. Sein Gründer Matthias Bauer hatte ähnliche Cafés zuvor schon in seiner Heimatstadt Wien betrieben und erkannte weitsichtig, dass das Konzept des Wiener Kaffeehauses mit Mokka und österreichischen Mehlspeisen auch im traditionell eher asketischen, aber aufstrebenden Berlin funktionieren müsste. Neben den großartigen Backwaren und einer opulenten Ausstattung punktete das „Bauer“ bereits ab 1884 zudem als Pionier mit einem besonderen Service bei seinem Publikum: elektrischem Licht. Das war insofern bedeutsam, als das „Bauer“ für seine große Auslage von angeblich bis zu 800 europäischen Tageszeitungen berühmt war. Davon, dass sich darunter auch die Vossische Zeitung befand und man am 8. Januar 1924 in dieser von der großartigen Zeitungsauswahl sowie dem bevorstehenden Umzug des „Bauer“ in ein Hotel am Bahnhof Friedrichstraße lesen konnte, ist schwer auszugehen. Bei elektrischem Licht, aber nicht in einem Kaffeehaus hat das für uns Frank Riede getan.
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Folge vom 07.01.2024Täglich 20 Tote infolge von AbtreibungenWie lange hat es in Deutschland gedauert bis mit dem Paragraphen 218a im Jahre 1993 die Möglichkeit einer straffreien Abtreibung geregelt wurde und das Leiden von unzähligen Frauen infolge von illegal durchgeführten Abtreibungen der Geschichte angehören sollte. Wie wir wissen ist gerade der Kampf gegen das Recht auf Abtreibung auch in vielen Demokratien immer noch ein zentrales Betätigungs- und Agitationsfeld der konservativen und religiösen Kräfte – man denke nur an die Aufhebung von Roe vs. Wade durch den amerikanischen Supreme Court im Jahre 2022. Einen Einblick in die Welt der Ärzte, Pseudoärzte, Hochstapler und “Waisen Frauen”, die von diesem lukrativen Geschäft mit der Not schwangerer Frauen profitierten bietet uns das 8-Uhr-Abendblatt vom 7. Januar 1924. Ein Kriminalkommissar Johannes Möller berichtet aus seinem Alltag als Ermittler. Die Position der Zeit, die weder „uneheliche Kinder“ noch Abtreibungen tolerierte, kritisiert er zwar nicht offen, man hat aber doch den Eindruck, dass die Schlussfolgerung, die Verhältnisse zu ändern, anstatt die Kriminellen, die an ihnen verdienen, zu jagen, ziemlich auf der Hand liegt. Da Paula Rosa Leu weiterhin verhindert ist, begleitet Frank Riede den Kommissar bei seinem Kampf gegen das Unwesen der Hinterhof-Abtreibungspraxen.