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Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 04.03.2023Carl von Ossietzky zur Lage der NationSo tief gespalten und feindselig sich die politischen Lager im Deutschland des Jahres 1923 gegenüberstanden – in einer einzigen Einschätzung herrschte von den Kommunisten bis zum völkischen Lager Einigkeit, und zwar hinsichtlich der eklatanten Unrechtmäßigkeit des französischen Einmarsches im Ruhrgebiet. Auch in linken Kreisen war die Empörung diesbezüglich einmütig. Selbst ein in der Wolle gefärbter Internationalist wie Carl von Ossietzky äußerte sich entsprechend deutlich. Sein nachfolgend für uns von Frank Riede gelesener Kommentar aus der Berliner Volks-Zeitung vom 4. März 1923 lässt dessen ungeachtet keinen Zweifel daran, dass er den langfristig gefährlicheren Feind der Republik in den eigenen, deutschen Reihen erblickt. Bei aller politischen Weitsicht, die sich hierin offenbart, sollte freilich auch er die Gefahr der Nationalsozialisten dramatisch unterschätzen.
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Folge vom 03.03.2023Mit Klabund auf einem Ball im armen Norden BerlinsSeinen bürgerlichen Namen Alfred Henschke kennt heute niemand mehr, wohl aber das Pseudonym, hinter dem sich eine der schillerndsten Figuren der Literaturszene in der Weimarer Republik verbarg: Klabund. 1890 in Crossen an der Oder geboren, erschienen unter diesem Namen bis zu seinem frühen Tod 1928 in einem der berühmten Lungensanatorien von Davos 25 Dramen, 14 Romane, etliche Nachdichtungen aus ostasiatischen und orientalischen Sprachen sowie ungezählte Gedichte, nicht selten erotischen Inhalts. Tatsächlich war Klabund selbst berühmt auch für sein vermeintlich turbulentes Liebesleben innerhalb und außerhalb seiner zwei Ehen und verkehrte überdies freundschaftlich mit etlichen kulturellen Größen seiner Zeit. Für das 8-Uhr-Abendblatt vom 3. März 1923 begab sich er sich auf einen Ball im armen Norden der Stadt, an dessen ausgelassener Atmosphäre und dessen amourösen Nachwehen uns Frank Riede teilhaben lässt.
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Folge vom 02.03.2023Hinter den Kulissen des SechstagerennensWenn es heute noch Leute gibt, die wissen, wer Ernst Werner war, so verdankt sich dies wohl zuvorderst Sammy Drechsel und seinem berühmten, 1955 erschienenen Fußball-Jugend-Roman Elf Freunde müsst ihr sein, an dessen Ende der Held des Buches, Drechsels Alter Ego Heini Kamke, einen Ausbildungsplatz bei dem von ihm bewunderten Redakteur der Fußballwoche antritt. Was das Buch nicht thematisiert, ist E.W.s – wie er sich abkürzte – ausgeprägter Antisemitismus, der sich in vielen seiner Sportreportagen dokumentierte, und das bereits lange vor 1933. Der vorliegende Artikel über das die Stadt elektrisierende Berliner Sechstagerennen 1923 vom 2. März ist zum Glück frei davon und präsentiert sich als neuer, moderner Sportjournalismus, der sich, statt sich mit Eins-zu-Null-Berichterstattung zu begnügen, nach dem Rennen in die Umkleiden der Sportler begibt und diese dem interessierten Publikum in seinerzeit noch höchst ungewöhnlichen, fast interviewartigen Sequenzen nahebringt. Trendsetter dieser Entwicklung war in Berlin neben der B.Z. am Mittag vor allem das aus der Neuen Berliner Zeitung hervorgegangene 12 Uhr Blatt, das damit heute sein Debüt bei Auf den Tag genau gibt. Schon sehr viel länger, nämlich seit unseren Anfängen dabei ist: Paula Leu.
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Folge vom 01.03.2023Max Brod, das Mädchen und die KosakenZum Ende seines Lebens, in den 1960er Jahren, wurde der Schriftsteller und Publizist Max Brod immer wieder zu seinen Erinnerungen an seinen Freund Franz Kafka befragt, für dessen posthumen Weltruhm er als Herausgeber und als derjenige, der sich dem letzten Willen von Kafka widersetzte und das unveröffentlichte Werk nicht vernichtete, maßgeblich verantwortlich zeichnet. Anfang der 20er wird er noch regelmäßig mit Franz Kafka durch Prag spaziert sein, vielleicht auch am imposanten Pulverturm vorbei, an dem eine Kindheitserinnerung von Brod spielt, die er am 1. März 1923 im Berliner Börsen-Courier publizierte. Diese spielt wohl in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts und hat neben den Gouvernanten, die Max und seinen Bruder Otto beaufsichtigten, eine Reihe von Gemälden zum Gegenstand, in die sich die Kinder immer wieder vertiefen. Frank Riede treibt sich mit ihnen am Pulverturm herum.