
NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 03.06.2020Am Kleist-GrabAm Morgen des 21. Novembers 1811 nahmen sich der Dichter Heinrich von Kleist und seine Bekannte Henriette Vogel am Kleinen Wannsee nahe Berlin das Leben. In der Herberge “Zum Stimming” schrieben sie die Nacht hindurch Abschiedsbriefe, um sich anschließend auf einem kleinen Hügel mit Ausblick auf den See zu erschießen. War der Dichter verarmt und vielfach verkannt aus dem Leben geschieden, so hatte sich der Ort des Doppel-Selbstmordes, mit seinem schlichten Gedenkstein, 1920 schon längst zum Wallfahrtsort für Kleist-Fans entwickelt. Am 3. Juni pilgert auch der Autor Erdmann Gräser an den kleinen Wannsee und berichtet in der Vossischen Zeitung von seinen Eindrücken. Gelesen von Paula Leu.
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Folge vom 02.06.2020Die Stunde des BürgertumsAuch am 2. Juni werden die Zeitungsmeldungen von der anstehenden Reichstagswahl dominiert. Wie soll man wählen? Welcher Partei soll man seine Stimme geben? Die aufgrund des Weimarer Systems mit neun größeren und einer ganzen Reihe kleinerer Parteien eh schon schwierige Entscheidung wurde durch immer neue ausgesprochene und unausgesprochene Allianzen und die sich daraus ergebenden komplizierten Konstellationen nicht gerade leichter. Wie gefährlich die so organisierten Partikularinteressen für die Republik sein können, das habe zuletzt der Kapp-Putsch klar gezeigt, so der Kommentator des Berliner Tageblatts. Der Moment sei gekommen, in welchem das Bürgertum sein ganzes Gewicht einbringen und statt für klassen- und interessengebundene Parteien für die freie Demokratie zu stimmen habe. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 01.06.2020Pleitewelle der Kaffee-PalästeDas pulsierende Tanzlokal „Moka Efti“, heute vor allem aus der Fernsehserie „Babylon Berlin“ bekannt, hat es tatsächlich gegeben. Jedoch war es zunächst einmal ein Kaffee-Haus, freilich ein Kaffee-Palast mit Extravaganzen, im orientalischen Stil ausgestattet, mit als Zugwagongs gestalteten Fluren, einem Schreibdienst mit Postservice und einem Frieseur-Salon. Auch derartige „Kaffee-Event-Lokale“ durchlitten nach dem Ersten Weltkrieg allerdings eine Krise, die zu einer Reihe von Pleiten führte. Von diesem „Sterben der Kaffee-Paläste“ berichtet durchaus hämisch Peter Sachse in einem von Paula Leu gelesenen Artikel der Berliner Volks-Zeitung vom 1. Juni 1920.
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Folge vom 31.05.2020O. Strasser: Warum wählen die Studenten rechts?Otto Strasser gehört zweifellos zu den schillerndsten Figuren, die die politische Landschaft Deutschlands im 20. Jahrhundert hervorbrachte. Sein Engagement für einen ‘nationalen Sozialismus‘ führte ihn nach dem Ersten Weltkrieg zunächst zur SPD, von der er sich bald jedoch schon enttäuscht ab- und 1925 der jungen NSDAP zuwandte. Gemeinsam mit seinem Bruder Gregor sowie anfänglich auch mit Joseph Goebbels gehörte er hier zum sogenannten ‘linken‘, antikapitalistisch-sozialrevolutionären Parteiflügel. Nachdem dieser den parteiinternen Richtungsstreit verloren hatte, verließ Strasser die NSDAP bereits 1930 wieder und wurde zu einem erbitterten Gegner Hitlers, als der er von wechselnden Exilstationen aus gegen dessen Regime agitierte und dabei mehrere Attentate überlebte. Zurück in Deutschland, betätigte sich Strasser nach 1945 schließlich vornehmlich als Publizist – und erfreut sich bis heute einer gewissen Popularität in neurechten Kreisen. Auch wenn sich Strasser 1920 selbst dezidiert noch als Linker verstand: Sein Artikel im Vorwärts vom 31. Mai über die bevorstehende Reichstagswahl mischt unter die Klassenrhetorik damals schon gewisse völkische Motive. Und lässt manche seiner späteren weltanschaulichen Irrungen und Wirrungen somit durchaus schon erahnen. Es liest Frank Riede.