NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 03.06.2022Im "Kinostaat" von KalifornienUm 1900 war Hollywood eine kalifornische Gemeinde mit ca. 500 Einwohnern. Zehn Jahre später wurde es von New Yorker Filmproduzenten entdeckt, die sich dort einer nach dem anderen ansiedelten. Bereits 1920 entstand der Großteil der US-amerikanischen Filmproduktion in dieser Film-Stadt, auf deren Gelände unzählige Bauten als Kulissen für die unterschiedlichsten Genres und historische Epochen dienten. Am 3.6. 1922 berichtete das Friedenauer Tageblatt aus dem Herzen der Traumfabrik, in der, so erfahren wir, eigene Gleise und Farmen und Saloons zur Produktion der unzähligen Cowboy-Filme dienten, aber auch die indigene Bevölkerung Amerikas als eine Art lebendiges Inventar für diese Produktionen missbraucht wurde. Der Artikel beschreibt dies in der zeittypischen Terminologie. Paula Leu überbrückt für uns die Strecke Friedenau – Hollywood.
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Folge vom 02.06.2022Die Waldschule in CharlottenburgCharlottenburg galt vor seiner Fusion mit Groß-Berlin im Jahr 1920 zwar zeitweise als die reichste Stadt Preußens; dicht besiedelte Mietskasernen mit dunkel-feuchten Hinterhäusern, in denen Armut, Rachitis und Tuberkulose blühten, gab es indes auch hier im goldenen Westen. Eine vielbeachtete Maßnahme, diese Missstände zumindest punktuell zu lindern, war die 1904 von der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung beschlossene und auch sofort in die Tat umgesetzte Gründung einer Waldschule im nahen Grunewald. Gesundheitlich besonders angeschlagenen Kindern wurde hier fortan, anfangs nur im Sommerhalbjahr, eine kostenlose Beschulung im Grünen ermöglicht, die, wenn das Wetter es zuließ, teilweise sogar im Freien erfolgte – ärztliche Betreuung und nahrhafte Verköstigung inklusive. Die Neue Zeit aus Charlottenburg berichtet am 2. Juni 1922 nicht ohne Lokalstolz vom Tagesablauf in der Gemeindeschule im Wald, wenngleich sie ihre Enttäuschung nicht ganz verbergen kann, dass der Zugang zu der sechs Jahre später gegründeten Höheren Waldschule gleich nebenan nicht ganz so inklusiv geregelt war. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 01.06.2022Wien und seine ApplauskulturDie Kunstsinnigkeit der Wienerinnen und Wiener und speziell ihr Enthusiasmus für Musik und Theater sind bis heute weltberühmt. Nicht von ungefähr, sagt man, sei Wien die einzige Stadt auf der Welt, in der man beim Taxifahrer erfragen könne, was abends wo gespielt würde. Wie wir in unserem heutigen Artikel aus der Vossischen Zeitung vom 1. Juni 1922 erfahren, wurde an dieser Legende (die möglicherweise gar keine Legende ist) auch schon seinerzeit kräftig gestrickt. Autor Karl Lahm führt dort aus, was viele Künstlerinnen und Künstler auch heutzutage unterschreiben würden: Der Applaus in Wien ist in puncto Begeisterungsfähigkeit wie in puncto Differenziertheit mit nichts zu vergleichen. Vom berühmten Sonderfall des Wiener Burgtheaters, vormals Hoftheaters, an dem es bis sage und schreibe 1983 nicht üblich war, dass seine Ensemblemitglieder zum Beifall vor den Vorhang traten, weil es als für „Schauspieler Seiner Majestät“ nicht schicklich galt, sich vor dem einfachen Volk zu verbeugen, ist im Artikel wie überhaupt von Schauspielhäusern nicht die Rede. Es liest Paula Leu.
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Folge vom 31.05.2022Die Affeninsel von Robert MusilDass ein Zeitungspodcast über die 1920er Jahre über kurz oder lang beinahe unvermeidlich auch zu einem Who is Who der großen Literaten gerät, ist an dieser Stelle eigentlich unnötig zu erwähnen. Gabriele Tergit, Joseph Roth, Hermann Hesse, Gerhard Hauptmann, die Manns ... – sie alle waren zum Broterwerb oder aus anderen Gründen bisweilen auch journalistisch tätig und sind hier bei Auf den Tag genau in den letzten zweieinhalb Jahren entsprechend ein- und ausgegangen. Mit dem heutigen Tag tritt nun auch Robert Musil in diesen Kreis. Musil lebte seit dem Ende des Ersten Weltkriegs gleichfalls überwiegend in Berlin und schrieb in dieser Zeit nicht nur am Mann ohne Eigenschaften, sondern veröffentlichte gelegentlich auch kleinere Texte in der hauptstädtischen Presse, zum Beispiel ‘Die Affeninsel‘ am 31. Mai 1922 in der Vossischen Zeitung. In diesem Sinne willkommen im Club, lieber Robert! Frank Riede führt dich bei uns ein.