NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 13.01.2022Die Ästhetik in der ChirurgieDie Brutalität des Ersten Weltkrieges wurde der Nachkriegsgesellschaft tagtäglich durch die verwundeten und verkrüppelten Soldaten vor Augen geführt. Ihre verstümmelten oder amputierten Gliedmaßen und schweren Verletzungen im Gesicht und am Kopf legten ein Zeugnis vom Vernichtungswerk der Bomben, Granaten und sonstiger Geschosse ab. Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass im Berliner Tagblatt vom 13.1. 1922 die Errungenschaften der Ästhetischen Chirurgie gefeiert werden. Noch war die Schönheitsoperation kein Wunderversprechen an die Oberschicht oder gar an breite Schichten, die in der Regel mit Kriegsverletzungen nichts am Hut haben. Für uns liest Paula Leu.
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Folge vom 12.01.2022Wider die DolchstoßlegendeMinus mal Minus ergibt Plus: Diese Rechnung der politischen Rechten funktionierte in der Weimarer Republik erschütternd publikumswirksam. Nachdem auf die schmähliche Kriegsniederlage von 1918 der in nationalen Kreisen nicht minder betrauerte Sturz der Monarchie folgte, strickte man flugs eine Legende, in der Ursache und Wirkung vertauscht und die militärische Niederlage der jungen deutschen Demokratie in die Schuhe geschoben wurde. Es war die berühmte Dolchstoßlegende, welche die Rechtspresse wieder und wieder erzählte und gegen welche die republikanischen Zeitungen nimmermüde anschrieben. Das Berliner Tageblatt widmete dem Thema im Januar 1922 sogar eine ganze Reihe, in der sie dem Generalmajor a.D. und späteren Friedensaktivisten Paul von Schönaich das Wort gab. Aus der dritten Folge vom 12.1. liest für uns Frank Riede.
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Folge vom 11.01.2022Im Obdachlosenasyl “Palme”Die Unterstützung und Versorgung von Obdachlosen hat in Berlin eine lange Tradition, was auch von der Kontinuität dieser Herausforderung an die öffentliche Wohlfahrt zeugt. Eine der ersten Hilfseinrichtungen für Obdachlose in Europa entstand im Viertel Prenzlauer Berg, in der Fröbelstr., am damaligen Stadtrand von Berlin bereits 1886. Wegen einer Topf-Palme im Eingangsbereich erhielt das städtische Asyl den Spitznamen „Palme“. Hier konnten zunächst ca. 2000 Obdachlose eine Übernachtungsgelegenheit und hygienische Einrichtungen finden – 1920 war es für ca. 4 ½ Tausend Personen ausgelegt, aber dennoch oftmals überbelegt. Daher wurden die Zustände in der „Palme“ zu einem Sinnbild der herrschenden Armut. So reagierte der Vorwärts am 11. Januar 1922 auf Berichte von einem „Pennerball“, bei dem angeblich Wohlfahrtsmittel verschwendet wurden, mit einem schonungslosen Blick auf die Zustände in der Fröbelstr. – so schonungslos, dass wir darauf hinweisen wollen, dass die geschilderten Bilder teilweise verstörend wirken können. Paula Leu liest.
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Folge vom 10.01.2022Nackttanz vor GerichtNacktheit auf der Bühne ist im 21. Jahrhundert zumindest hierzulande längst ein Gemeinplatz geworden und kaum mehr dazu angetan, Skandale zu verursachen. Vor einhundert Jahren sah die künstlerische und kleinkünstlerische Welt diesbezüglich selbstredend ganz anders aus, und ein paar Quadratzentimeter nackter Haut bei Schummerlicht hinter einem semitransparenten Schleier vermochten mitunter heftige Wellen der Entrüstung auszulösen. So rasant die aufstrebende Metropole Berlin seinerzeit ihre Freizügigkeit entdeckte, so vehement wurde diese Entwicklung von selbsternannten Sittenpolizisten bekämpft, die sich die Nächte in aufopferungsvollem Dienst für Jugend und Tugend um die Ohren schlugen und alle von ihnen ausgemachten Unsittlichkeiten vor den Kadi einer noch weithin kaiserzeitlich geprägten Rechtsprechung zerrten. Einer von gleich mehreren Prozessen im Winter 1922 galt dem Ensemble der sogenannten Nackttänzerin Celly de Rheidt. Die Berliner Presse begleitete die Verhandlung mit durchaus lustvollem Interesse, auch wenn sie in den spannendsten Momenten leider ausgesperrt blieb. Das 8-Uhr-Abendblatt berichtete am 10. Januar trotzdem. Für uns tut dies Frank Riede.