NachrichtenKultur & Gesellschaft
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Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 03.07.2021Der Box-Kampf Dempsey-CarpentierDer Boxkampf um den Weltmeistertitel im Schwergewicht zwischen dem Amerikaner Jack Dempsey, Kampfname „The Manassa Mauler“, und dem Franzosen Georges Carpentier, „The Orchid Man“, am 2. Juli 1921 war das Sportereignis des Jahres 1921, und zählt zu der Handvoll Box-Kämpfen, die als „Fight of the Century“ bezeichnet werden. Das Aufeinandertreffen des seit 1919 amtierenden Schwergewichtschampions Dempsey und des Halbschwergewichtschampions Carpentier war das erste Box-„Event“, bei dem über eine Million Dollar Gewinn generiert wurden. Es hielt Menschenmassen zumindest in Amerika und in Frankreich in Atem. Die Stilisierung des Kampfes etwa als Kampf des Kriegshelden Carpentier, gegen den Kriegsdienstverweigerer Dempsey, oder als das Aufeinanderprallen von Dempseys roher Kraft und Gewalt auf den feinen, schmächtigeren, aber willensstarken Carpentier sorgten für emotionale Anteilnahme und die Schönheit Carpentiers angeblich für eine besonders hohe Zahl von Zuschauerinnen am Ring. Der Bericht aus dem Berliner Tageblatt vom 3. Juli beschreibt nicht nur den Ablauf des Kampfes, sondern auch in seinem zweiten Teil die Übermittlung der Runden-Zusammenfassungen per Telegraph über den Atlantik, so dass die Pariser Bevölkerung über eine Art Live-Ticker informiert wurde. Uns hält Paula Leu auf dem Laufenden.
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Folge vom 02.07.2021Austern schlürfen auf Sylt„Manchmal schließe ich die Augen / Stell' mir vor ich sitz' am Meer / Dann denk' ich an diese Insel / Und mein Herz das wird so schwer“ – nein, die hamburgische und berlinische Sehnsucht nach Sylt ist keine Erfindung deutscher Punkrocker der 1980er Jahre, sondern schlug offensichtlich auch schon vor einhundert Jahren manch badehungrigem Städter aufs Gemüt und ließ ihn oder sie die damals durchaus langwierige, seit dem Weltkrieg neuerdings sogar teilweise über dänisches Territorium führende Bahnreise nach Deutschlands größter Nordseeinsel antreten. So machte sich auch auf Victor Auburtin vom Berliner Tageblatt, für dessen Ausgabe vom 2. Juli 1921 er weidende Milchkühe beobachtete, am Westerländer Bade- und Gesellschaftsleben teilnahm und bei List Austern schlürfte. Frank Riede reist ihm für uns hinterher.
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Folge vom 01.07.2021Berlin: Rendezvous pour tousJede Zeit hat ihre Praktiken und Rituale zur Anbahnung eines Rendezvous. An welchen Orten lernen sich die Paare kennen? An welchen findet das nächste Treffen statt? Von wem geht die Initiative aus? Schon in der Zeit vor den Apps, mit denen das nächste Rendezvous nur einen „Swipe“ entfernt ist, galt die Metropole Berlin als ein freundliches Pflaster für die Partner_innen-Suche. In der Berliner Volks-Zeitung vom 1. Juli 1921 wird scheinbar an dem moralisch verruchten Ruf der Großstadt weitergeschrieben: Niemand verabredet sich so leicht wie Berliner_innen. Aber diese Einfachheit hat eine Schattenseite. Paula Leu weiß welche.
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Folge vom 30.06.2021Ganz Berlin trägt DirndlDie landläufige Vorstellung, wonach es sich beim Dirndl um eine jahrhundertealte bäuerliche Volkstracht von der oberbayerischen oder tirolerischen Alm handele, hat ihre Heimat im Reich der bajuwarischen Mythen. Buchstäblich erfunden wurde es erst spät im 19. Jahrhundert, und zwar als durchweg städtische Modeerscheinung für ein bürgerliches Publikum, das sich bei seinen Ausflügen in die Sommerfrische an Chiemsee oder Tegernsee gerne etwas lässig-ländlich gewanden wollte. Als vergleichsweise schlichte und deshalb kostengünstigere Alternative zu aufwendigen herkömmlichen Sommerkleidern eroberte es nach dem Ersten Weltkrieg schließlich zunehmend auch die heimischen urbanen Laufstege, und das keineswegs nur in München oder Augsburg. Unser heutiger Bericht aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 30. Juni 1921 dokumentiert vielmehr eindrücklich, dass der Dirndl-Hype vor einhundert Jahren längst den Weißwurst-Äquator überschritten und selbst die preußische Kapitale Berlin in seinen Bann geschlagen hatte. Für uns liest, nein, nicht Rainer Brüderle, sondern Frank Riede.