NachrichtenKultur & Gesellschaft
Auf den Tag genau Folgen
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
Folgen von Auf den Tag genau
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Folge vom 09.02.2021Russisches Revolutionstheater in PetersburgSogenannte Reenactments, also möglichst ‘authentische‘ Wiederaufführungen historischer Ereignisse erfreuen sich in den zurückliegenden Jahrzehnten großer Beliebtheit, sind als Phänomen im Grunde aber bereits seit der Römerzeit bekannt. Eine ganz besondere, staatlich verordnete Hochkonjunktur erlebte dieses Genre in der jungen Sowjetunion, die in großen Massenspektakeln die Erinnerung an ihre Geburt in der Oktoberrevolution zu inszenieren pflegte. Eine solche Feier gab es u.a. bereits zu deren drittem Jahrestag im Herbst 1920, anlässlich dessen an historischer Stätte die Erstürmung des Winterpalais mit Abertausenden von Laiendarstellern nachgespielt wurde. Zu den wenigen ausländischen Augenzeugen dieser Veranstaltung zählte der ungarische Schriftsteller Arthur Holitscher, der seiner Faszination darüber anschließend verschiedentlich in Buchform und Zeitungsartikeln Ausdruck verlieh. So geschehen beispielsweise in der Freiheit vom 9. Februar 1921, aus der für uns Frank Riede liest.
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Folge vom 08.02.2021Fasching verboten - Faschisten erlaubtAufmerksamen Hörer*innen unserer letzten Folge wird es vielleicht nicht entgangen sein: Zum ersten Mal, seitdem wir auf Sendung sind, schafften es die Schlägertruppen einer bayerischen politischen Splitterpartei namens NSDAP gestern in unseren Podcast. Was dem Berliner Tageblatt vom 7. Februar 1921 nur eine beiläufige Erwähnung wert war, erfährt in der Freiheit vom Folgetag noch eine deutlich ausführlichere Schilderung, die interessanterweise bereits ein wohlbekanntes Narrativ der Unterschätzung bemüht, das Hitlers Aufstieg bis weit in die 30er Jahre begleiten und begünstigen sollte: das von den Nazis als nützlichen Idioten reaktionärer Kräfte wie der sogenannten Organisation Escherich (kurz: Orgesch), die zurück zu einer Herrschaft von Kaiser und preußischem Militär strebten. Doch nicht nur diese bekommen, als Feind Nummer 1, in der Freiheit ihr Fett weg, sondern auch, als Feind Nummer 2, die bayerischen Kommunisten, die sich am ‘Münchener Fasching‘ 1921 in nationalbolschewistischem Kostüm beteiligen zu müssen meinten. Es liest Frank Riede.
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Folge vom 07.02.2021Münchens Anti-Faschings-MobMünchen ohne Fasching, das ist eigentlich ähnlich undenkbar wie München ohne Oktoberfest, und doch stellt das Jahr 2021 diesbezüglich keine Premiere dar: Bereits vor einhundert Jahren verbot ein bayerischer Ministerpräsident das bunte winterliche Treiben, wenn auch aus ganz anderen Motiven als sein später Nachfolger Markus Söder. Der antisemitische Monarchist Gustav von Kahr wollte mit dieser Maßnahme ein Zeichen gegen die Entwaffnungs- und Reparationsforderungen setzen, die soeben auf der damit befassten Londoner Konferenz gegen Deutschland erhoben worden waren und die hierzulande, wie hier bereits vor einigen Tagen zu hören, durch sämtliche politische Lager auf Empörung stießen. Den erklärten Faschingsboykott hielten dennoch keineswegs alle Münchener für das geeignete Mittel des Widerstands; woraufhin die mancherorts doch stattfindenden Bälle von rechtsgerichteten Kräften teilweise brutal gestört wurden – und Bayerns Ruf als „Ordnungszelle des Reiches“, zu der es von Kahr zu ‘erheben‘ gedachte, schwer litt. So zumindest das Fazit des Berliner Tageblatt vom 7. Februar 1921, hier gelesen von Paula Leu.
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Folge vom 06.02.2021Asta HamletEiner der großen Filmerfolge des Deutschen Kinos des Jahres 1921 war der Film „Hamlet“, der am 27. Januar in Hamburg Premiere feierte. Die Fassung basiert neben dem Shakespeare-Drama auf dem Buch „Mysteries of Hamlet“ des amerikanischen Shakespeare-Forschers Edward Vining aus dem Jahre 1881, der im Rückgriff auf eine alte Norwegische Sage, argumentiert, dass Hamlet eigentlich eine Prinzessin war, die für einen männlichen Thronfolger ausgegeben wurde. Das erklärt auch die weibliche Hauptrolle des Films, die die Kino-Diva schlechthin der Stummfilmzeit, Asta Nielsen, in gewohnt ausdrucksstarker aber zugleich zurückgenommener Mimik spielte. Der Film sorgte schon vorab für Diskussionen und wurde auch nach Erscheinen kontrovers diskutiert. Die humorvoll hymnische Filmkritik des Berliner Tageblatts vom 6. Februar, einen Tag nach der Berliner Premiere, liest Frank Riede.