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Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte. Die aktuelle Staffel „Hamburg und die Welt vor 100 Jahren“ entsteht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und präsentiert Zeitungsartikel aus Hamburger Tageszeitungen. Es gilt weiterhin: bis morgen! Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und die Hapag-Lloyd Stiftung unterstützen die Pilotphase des Geschichtspodcast finanziell. Mit Dank an Andreas Hildebrandt für den Jingle und Anne Schott für die Bildmarke.
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Folge vom 01.10.2020Der Muß-Berliner Westen muss sich wehren!Die vor exakt einhundert Jahren vollzogene administrative Fusion Berlins mit zahlreichen angrenzenden und de facto mit ihm längst zusammengewachsenen Gemeinden zu Groß-Berlins gilt heute als so vernünftiger wie unvermeidlicher Schritt der Stadtgeschichte. Weithin vergessen ist dabei, dass dieser Prozess damals eine äußerst schwere, politisch höchst umstrittene Geburt darstellte. Während das alte, innerstädtische Berlin seinerzeit als rote Hochburg mit klaren Mehrheiten für die beiden sozialdemokratischen Parteien firmierte, waren viele seiner Vorstädte, vor allem im reichen Westen, eher bürgerlich bis national geprägt. Wie heftig dort die Ablehnung gegen die so empfundene Zwangsvereinigung ausfiel, ist anschaulich einem Beitrag der in Charlottenburg und Wilmersdorf ansässigen Zeitung Der Berliner Westen vom Beitrittstag, dem 1. Oktober 1920, zu entnehmen, der bezeichnenderweise „an alle Muß-Berliner“ adressiert ist. Es liest Paula Leu.
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Folge vom 30.09.2020Funken von NauenDer Telegraph steht wie kaum eine andere Technologie für Fortschritt und Fortschrittsbegeisterung der Jahre um 1900. Die Möglichkeit, mit den entferntesten Winkeln dieser Erde quasi in Echtzeit zu kommunizieren, übte eine auch ein wenig unheimliche Faszination aus. Dass die havelländische Gemeinde Nauen als Meilenstein in der funktechnischen Entwicklung bezeichnet werden darf, hängt mit der dort 1906 in Betrieb genommenen „Großfunkanlage für drahtlose Telegraphie“ zusammen. Am 29. September 1920 wurde das von Hermann Muthesius gestaltete neue Sendegebäude feierlich durch Reichspräsident Ebert eingeweiht. Der Bericht im Vorwärts einen Tag später zeigt in seiner euphorischen Beschreibung, wie sehr hier Technik und Natur, Zukunftsdenken und Ästhetik ineinander spielen. Gelesen von Frank Riede.
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Folge vom 29.09.2020Selbstbestimmung für die Wenden?Seit ihrer Gründung, bezeichnenderweise im Jahr 1870, begriff sich die Deutsche Zentrumspartei als Sprachrohr der katholischen Minorität in einem preußisch-protestantisch dominierten Reich. Dieses Selbstverständnis als Minderheitenvertretung erklärt vielleicht auch das Wohlwollen, mit der ihre Parteizeitung Germania 50 Jahre später in der Ausgabe vom 29. September 1920 auf eine andere, sehr viel kleinere, ethnische Minderheit im Lande blickt: die Wenden. Auch diese, uns heute eher als Sorben bekannt, hatten während der Verhandlungen von Versailles vorsichtig auf Möglichkeiten stärkerer Selbstbestimmung geschielt und sahen sich in der Folge vermehrt Verdacht und Verfolgung ausgesetzt. Obwohl nur zu kleinem Anteil von katholischem Bekenntnis, sympathisiert die Germania mit einigen wendischen Forderungen. Es liest Paula Leu.
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Folge vom 28.09.2020Kunst und Käse‘Kunst und Gemüse‘ lautete vor einigen Jahren einmal der Titel einer Theaterarbeit von Christoph Schlingensief, ‘Kunst und Käse‘ vor noch viel längerer Zeit, genauer: am 28. September 1920, der einer Glosse im Berliner Tageblatt. Um Theater ging es auch ihr bzw. um die ausgemachte neue Angewohnheit des Berliner Publikums, dort während der Aufführung seine Stullen oder sonstige mitgebrachte Wegzehrung so geräusch- wie geruchsintensiv zu verspeisen. Wie diese hauptstädtische Unsitte zu unterbinden sei? Der Autor hätte dazu einen simplen, aber vermutlich sehr wirkungsvollen Vorschlag. Es liest Frank Riede.